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EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Tipps zum Anlegen mit Buganker und Heckleinen


von Peter O. Walter



[Kat und Mooring] [Hafenmanöver Kat/ allgemeine Tipps] [Geschwindigkeitspotential] [Rk-Anlegen mit Kielyacht] [Rk-Anlegen für den genialen Skipper] [Richtig ankern] [Ablegen aus Längsseits-Position]


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Immer wieder tauchen bei uns Anfragen zum Anlegen vor Buganker und Heckleinen, auch römisch-katholisch genannt, auf.
Deshalb hier ein paar Tipps:

Vorbereitungsphase


Fender beidseitig ausbringen. Wenn man das schon längere Zeit vorher macht, kann man sie noch innenbords ablegen. Der Ankermann kann sie dann beim Gang nach vorne mit einem Fußtritt nach unten befördern.
Achterleinen anbringen. Achten Sie darauf, dass sie nicht zu lang sind: Oft passiert es, dass Festmacher mit 25m Länge verwendet werden. Das führt unweigerlich zu Woolings, außerdem dauert es viel länger ...
Festmacher mit einer Länge von 12 -14 Metern sind in den meisten Fällen völlig ausreichend!
Anker klarmachen und schon außenbords hängen
Rollen verteilen: Ankermann, Heckleine Bb., Heckleine Stb. Der Ankermann sollte grundsätzlich Schuhe und Handschuhe tragen (Verletzungsgefahr!)
Ggf. beidseitig einen Mann mit Fender bereitstellen
Jetzt sind die Vorbereitungen abgeschlossen und wir machen einen professionellen Eindruck bei der Ankunft.


Auswahl des richtigen Platzes


Wenn (!) Sie denn die Wahl haben, dann können Ihnen hier die Tipps helfen, Probleme nach dem Anlegen zu vermeiden:
Lautstarke Diskussionen an Bord wirken unprofessionell. Die Auswahl des Platzes ist allein Sache des Skippers!
Wenn Sie die Lücke gefunden haben, checken Sie die Ankerketten der beiden Nachbarboote
Gehen die Ketten exakt nach vorne?
Gehen alle Ketten nach Backbord? Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass entweder starker Seitenwind von Backbord herrschte oder erwartet wird.
Sind die Ketten der Nachbarboot straff gespannt? Wenn ja, ist alles ok. Wenn nicht, besteht die Gefahr, dass bei Seitenwind das Boot mit der lockeren Kette sich auf Ihr Boot legt und drückt ...
Ist der Kai beschriftet oder farbig markiert? Wenn ja, besteht die Möglichkeit, dass Sie später wieder wegmüssen.
Ist die Verlauf der Kaimauer völlig gerade? Das ist der Normalfall und Sie werden später beim Ablegen (und wenn sie die Kette genau im rechten Winkel gelegt haben) keine Probleme mit Kettensalat bekommen.
Ist der Verlauf der Kaimauer nicht gerade, z.B. so wie in der nebenstehende Grafik, dann haben Sie gute Karten: Die Ketten der Nachbarschiffe streben nämlich auseinander und es wird an einer solchen Kaimauer höchst selten zu Kettensalat kommen.
oder so?
Dann sieht es schlecht aus: Die Ketten streben auf einander zu und der Ärger am nächsten Morgen ist vorprogrammiert.
Wenn Sie die Wahl haben, legen Sie an diesem Platz nicht an.

Kommt hinter der Lücke eine Straße vom Berg herunter?
Wenn ja, können Sie damit rechnen, dass es an dieser Stelle möglicherweise zu seicht ist: Der Regen hat Dreck ins Hafenbecken gespült. Außerdem sind das beliebte Ort für Abwasserrohre, die in den Hafen münden!

Das Anlegen


Laute und hektische Kommandos sind in dieser Phase nicht am Platz.
Der Ankermann steht am Bug, hat die Fernbedienung in der Hand und hat den Blick nur (!) auf den Skipper/Rudergänger gerichtet.
Manövrieren Sie Ihr Schiff nun in eine Position die etwa 100 Meter (wenn möglich!) in der Senkrechten zum Verlauf des Kais liegt.
Stellen Sie das Schiff etwas schräg (Schraubeneffekt!), siehe Bild.
Rückwärts Gas geben. Der Schraubeneffekt zieht nun das Schiff in die richtige Richtung. Wenn nicht, dann haben Sie noch etwas Strecke, um das Schiff in die richtige Richtung zu bringen. Das war der Sinn des etwas größeren Abstands!
Jetzt stellt sich dem Skipper die Frage: Wann werfe ich den Anker?
Das hängt nun von Wassertiefe und Ankergrund ab. Ich persönlich ziehe es vor, mindestens 60 Meter Kette zu legen. Man schläft dann besser ;-))
Der Skipper / Rudergänger gibt per (vorher verabredetem) Handzeichen das Kommando zum Ankerwerfen.
Wieviel Fahrt Sie rückwärts machen, hängt von der Stärke des Seitenwindes ab. Je mehr Wind von der Seite, desto mehr Fahrt sollte im Schiff sein.
Jetzt kommt es auch auf den Ankermann an, ob das Manöver gelingt: Bremst er die Kette zu stark ab und das Schiff kommt zum Stillstand, geht das Ganze in die Hose, weil dann wieder der Schraubeneffekt zur Wirkung kommt. Es reicht völlig aus, wenn er die Kette mit der Hand (Arbeitshandschuhe!!) abbremst, damit sich keine Kettenhäufen am Hafengrund bilden.
Am Kai angekommen müssen einige Dinge gleichzeitig passieren:
  • Der Rudergänger geht etwa 4 Meter vor der Kai in den Leerlauf und der Rudergänger (NICHT der Ankermann!!) bremst das Schiff etwa 2 Meter vor dem Kai sanft ab, so dass die Crewmitglieder an Land können, oder die Festmacher geworfen werden können.
  • Der Ankermann gibt noch 2 - 3 Meter mehr Kette, dass das Schiff nicht wieder von der Spannung der Kette vom Kai weggezogen wird und stellt dann die Nuss fest.
  • Nun können die Leinen, wenn möglich auf Slip belegt werden.
  • In dieser Zeit ist der Rudergänger damit beschäftigt, das Schiff auf der Stelle zu halten um zu verhindern, dass das Heck den Kai touchiert und gleichzeitig die Arbeit der Festmacher im Auge zu behalten.
  • Erst jetzt, wenn die Festmacher auf die richtige Länge eingestellt und belegt sind, holt der Ankermann die Kette auf gute Spannung. Gut ist es, wenn dann an Bord eine sogenannte "Teufelskralle" ist, die man an der Kette einpicken kann, auf einer Klampe belegt und somit die emorme Spannung von der Nuss nehmen kann.
In dieser Situation kommt es immer wieder vor, dass von wem auch immer an Land "gute Ratschläge" erteilt werden. Die Crew sollte vom Skipper vorher (!) instruiert werden, solche Anweisungen zu ignorieren und nur die Anordnungen des Skipper umzusetzen!


Zum Wohl!
Jetzt ist es Zeit, das gelungene Manöver mit einem "Anleger" abzuschließen.


Das Ablegen


Rollen verteilen: Ankermann, Heckleine Bb., Heckleine Stb.
Vergewissern Sie sich, jetzt gerade kein anderes Schiff in der Nähe an- oder ablegt. Das könnte Ihren Raum zum Manövrieren einschränken.
Kralle von der Kette nehmen
Maschine an
Ruder gerade stellen
Aus welcher Richtung kommt der Wind?
Heftiger Seitenwind? Meist ist der Wind im Hafen recht wechselhaft und böig. Warten Sie eine Pause zwischen den Böen ab.
Beide Leinen los, ggf. bei Seitenwind die leewärtige zuerst.
Geben Sie nun Schub mit der Maschine. Wieviel Gas Sie geben, hängt davon ab, wieviel Seitenwind herrscht. In dieser Phase besteht nämlich bei Seitenwind die Gefahr, dass Sie die Kette/Ankertrosse des leewärtigen Nachbarschiffes in die Schraube oder das Ruder bekommen. Also nicht zu langsam rausfahren!!
Wenn Sie so weit draußen sind, dass Sie von den Ketten der Nachbarschiffe frei sind, Schraube auskuppeln.
Lassen Sie sich von der Ankerwinsch zum Anker ziehen. Möglicherweise (bei Seitenwind!) ist es sinnvoll, mit Maschinenunterstützung den Bug in Richtung der Kette und auf der gedachten 90-Grad-Linie zu halten. Sie verhindern damit, dass der Anker seitlich wegslippt und fremde Ketten aufnimmt!

Hier Postings zum Thema:

"Christoph Boecker (QDD)" schrieb:
Hallo Herr Walter
da ich in Kürze die Gewässer des römisch-katholischen Anlegens besuchen werde, habe ich Ihren Artikel mit Interesse gelesen. Als Ostseesegler und damit Boxeneinparker ist man mit diesen Dingen oft nicht so vertraut. Aber mal ne Frage dazu: wie geht die Sache den zu zweit?
Ich bin in Ihrem Artikel auf mindestens drei Personen (Ankermann im Bug, Steuermann an der Machine und den Heckleiner) Wie läuft das denn zu zweit? Erst mal ranfahren, Keckleine festmachen, Dingi ins Wasser, Anker rausfahren?
Die Frage dürfte nicht uninteressant sein, denn die typischen Crews sind entweder vollbepackte Boote oder 2er-Besatzungen(Ehepaare). ich hoffe, Sie können mir weiterhelfen.
Vielen Dank
Mfg
Christoph Böcker

Lieber Christian,
vielen Dank für Ihre Mail.
Eine "Gebrauchsanleitung" kann ich Ihnen hier nicht liefern, wohl aber einige Tipps: Die Vorbereitungen für ein Manover mit kleiner Crew müssen natürlich komplett und sorgfältig gecheckt sein, aber das ist auf einem Schiff mit kleiner Crew eh Routine.
Ich würde vorschlagen:
Ankermann bleibt bis zur "Ankunft" am Kai an der Kette und bremst sie nur so weit, dass keine Kettenhäufen am Grund entstehen. Dann gibt er noch 3m mehr Kette, damit das Schiff nicht vom Zug der Kette wieder noch draussen gezogen wird.
Danach geht der Ankernmann nach hinten und übernimmt die Aufgaben der Festmachercrew, während der Rudergänger das Schiff auf Position hält.
Klingt eigentlich recht einfach, ist in der Praxis aber für jemand, der das noch nie gemacht hat"gewöhnungsbedürftig".
Mast- und Schotbruch,
Peter O. Walter


Betreff: Anlegen mit Buganker
Datum: Wed, 10 Apr 2002 11:30:52 +0200 Von: M. Bertschi
Im Prinzip bin ich mit diesen Anweisungen einverstanden - ich mache es auch so. Nur eine Ergänzung hätte ich (von Bobby Schenk gelernt): Nicht nur die Ankerkette mit der Winch straff ziehen, sondern nach dem Anlegen nochmals wenige Meter nach vorn fahren, dann die Kette stramm ziehen und nun langsam mit immer mehr Gas rückwärts fahren und nunmehr genau beobachten, ob das Schiff am gleichen Ort stehen bleibt. Dann nämlich wird der Anker eingefahren und man ist ziemlich sicher (ganz sicher ist man ja nie), dass der Anker hält. Ist das der Fall, kann man wieder näher ans Ufer zurückfahren, d.h. entsprechend mehr Kette geben und die Leinen dicht
nehmen. M.E. hat Bobby Schenk richtigerweise festgehalten, dass derjenige, der diese Ankerprobe nicht mache, damit rechnen müsse, dass bei stark auflandigem Wind der Anker ausbricht. Und wer diese Ankerprobe nicht macht, weil er eben fürchtet, dass er den Anker bei der Rückfahrt herausziehen könnte, der hofft einfach, dass in den folgenden Stunden der Wind nicht auffrischt.
Persönlich stelle ich immer wieder fest, dass ich praktisch der Einzige bin, der jeweils diese Ankerprobe durchführt - die Nachbarn sehen mich eher mitleidig an. Aber gleichwohl: Ich bin der Meinung, dass diese Massnahme vernünftig ist. Herzlich Marcel Bertschi

Lieber Marcel, Ich stimme Ihnen voll zu. Leider gehen nicht alle Skipper so sorgfältig vor wie Sie. Oft genug sehen wir, dass der Anker 20 Meter vor dem Kai geworfen wird. Die Leute sind sich offenbar nicht klar darüber, dass der Anker erst mal einige Meter über den Grund schleift, bevor er richtig fasst. Und dann sind am Ende nur 10 Meter Kette wirksam... Unangenehm wird das (wenn Wind aufkommt) nicht nur für die betreffende Crew, sondern auch für die Nachbarn.


Betreff: anlegen mit dem Heck
Datum: Thu, 11 Apr 2002 15:34:51 +0200
Von: Winfried Strittmatter
Meine Anmerkung zum Anlegen mit dem Heck: ich halte es für ausgemachten Blödsinn im 60 m Kette zu stecken. Genau das verursacht kathastrophale Ankerwoulings, wenn der Ankergrund nicht sichtbar ist. Niemand kann mehr einschätzen wo und wie weit drausen die Anker liegen. Bei angepassten Tiefen 3-5 fache Wassertiefe läßt sich das in etwa abschätzen und mit einem vernünftigen Anker reicht das auch aus.
Zu zweit geht das Manöver völlig problemlos mit einem vernünftigen Heckgeschirr! Ein Ankerband ist hier hilfreich wegen der einfachen Bedienung und des geringen Platzbedarfs. Der Rudergänger bringt dabei den Anker selber aus, der zweite Mann geht an Land. Das würde ich aber nur tun, wenn der Hafen 100% sicher ist, damit man nicht rückwärts aus dem Hafen flüchten muß! Ansonsten geht einfach der Rudergänger mit den Heckleinen an Land. Der Mann an der Kette bleibt dort, weil er das Boot immer 100% ig kontrollieren kann!
Allein fahre ich immer mit dem Heckanker rein. Notfalls läßt sich das Boot durch lange Heckleinen drehen und man tauscht dann Bug gegen Heckanker.

Lieber Winfried, Ein Kettensalat ist in maximal 10 Minuten klariert, ein Schaden am Heck aber nicht! Wir auf der ESYS haben einen Bügelanker mit 27 kg, trotzdem lege ich, wenn ich kann, meine 60 Meter Kette. Wenn dann auf allen anderen Yachtenschon Hektik ist, weil die Anker nicht halten, kann ich immer noch gelassen zuschauen. Übrigens ist das mit der Kettenlänge = 3fache Wassertiefe ein Märchen, das sich aber leider hartnäckig hält ...


Betreff: Tipps zum Anlegen mit Buganker
Datum: Sat, 27 Apr 2002 21:42:38 +0200
Von: (Dr. Rainer Fuchs)
Die Hinweise, 60 m Kette zu legen und mit der Maschine den Sitz des Ankers zu prüfen, sind in frequentierten Häfen nicht nur absolut unsinnig sondern auch noch für die Nachbarn gefährlich. Bei zu langen Ketten ist der Ankersalat vorprogrammiert, das Einfahren in die Kette ist bei dem normalerweise vorzufindenden Ankergrund in Häfen (gut haltender Schlick) ebenfalls unsinnig (nicht natürlich in Buchten etc.). Es reicht völlig aus, mit der Ankerwinsch eine größtmögliche Kraft auf die Kette zu bringen. Bei Starkwind reicht es dann, evtl. 1 Meter von der Pier wegzuziehen. Selbst Horst Schuldt, dem man nun wirklich nicht nachsagen kann, er wisse nicht, wovon er redet, schlägt eine Kettenlänge von höchstens dem 5fachen der Tiefe vor (bei 3m wären das 15 Meter). Mehr ist absolut unnötig und meistens auch gar nicht möglich. Ich fahre einen 23kg Bügelanker und habe bei unzähligen Anlegern noch keine unangenehme Überraschung erlebt. Mit zu langen Ketten zu ankern ist vor allem in stark besuchten Buchten ein absolutes Ärgernis. Viel wichtiger ist zu prüfen, ob der Anker wirklich hält. In Buchten etc. bedeutet das selbstverständlich : rückwärts fahren, aber erst nachdem der Anker gefaßt hat. In Häfen ist dies unnötig, hier reicht der volle Zug der Winsch aus. Auf normalen Ankergründen in der Ostsee oder dem Mittelmeer kann man nur sagen: vergiß die 60m !!!!! Es wäre besser, Sie halten sich an praxisgerechte Ratschläge, als solch einen Unsinn zu verkünden, den Ihnen hunderte von Charterbooten und Eignern nachmachen und sich dadurch zumeist nur Ärger einhandeln!
Lieber Horst, In mehr als 20 Jahren meiner Praxis habe ich oft erleben müssen, wie Nachbarn, die zu wenig Kette gesteckt hatten, sich selbst und unser Schiff in Bedrängnis gebracht haben. Das ist eine Tatsache, die belegbar ist.
Da nehme ich Kettensalat gerne in Kauf. Seit mehr als 50 Jahren wird das Märchen von der 3-fachen Kettenlänge der Wassertiefe verbreitet und es ist erstaunlich, wie viele Segler immer noch daran glauben. Was ist denn wirklich so so gefährlich daran, 60 m Kette zu stecken? Mit Ausnahme des "Kettensalats" konnte bisher niemand eine wirkliche "Gefahr" aufzeigen ...
Oft genug habe ich in meiner Anfängerzeit, die wohl jeder mal durchmachen muss, erlebt, dass die so oft "empfohlene" Kettenlänge bei einem plötzlich auftretenden Seitenwind von 6-7 Bft. bei weitem nicht ausreicht um das Schiff zu halten. Ich freue mich aber, dass diese Seite eine so lebhafte Diskussion hervorruft. Nur so können ggf. Verbesserungen der oft (zugegeben) mangelhaften Verhältnisse in den Häfen verbessert werden.
Vielen Dank für Ihre Zuschrift!



Betreff: Tipps zum Anlegen mit Buganker Datum: Wed, 10 Jul 2002 17:00:56 +0200 Von: Eich, Dieter Produr Vertrieb Hallo Leute,
Ich kann dem Autor des Berichtes nur zustimmen. Ich stecke auch immer soviel Kette wie der Platz im Hafen eben zulässt, das können auch schon mal 60 Meter sein. Nach über 12 Jahren Törnerfahrung auf den verschiedensten Charterschiffen in den Kykladen muss ich dem Verfahren "Viel Kette" absolut zustimmen.
Alles andere ist wie schon öfters erlebt hoffnungsloser Leichtsinn. Viele Grüße Dieter Eich


Betreff: Diverse Themen bei ESYS
Datum: Thu, 1 Aug 2002 10:03:56 EDT
Von: Frank Heutgens
Sehr geehrter Herr Walter,
Unbestritten dürfte sein, dass eine lange Kette immer besser hält als eine weniger lange. Aber warum müssen es mindestens 60 m sein? Wenn ich auf 3 m ankere, sind 60 m (20-fache Wassertiefe) doch maßlos übertrieben. Es ist abhängig von der Wassertiefe. Die alte Regel, 3-fache Länge bei Kette und 5-fache bei Trosse ist sicher überholt. Nicht überholt ist aber der Zusammenhang zwischen Wassertiefe und gesteckter Länge. Also darf es nicht heißen:
Ich stecke mindestens 60 m, sondern ich stecke so und soviel mal die Wassertiefe. Ich für meinen Teil halte beim FREIEN Ankern 5-7 fache Länge bei Kette und normalen Wetter- und Grundverhältnissen und bei einem guten Anker (z.B. Bügelanker) für sicher. Aber hier geht es um das römisch-katholische Ankern, was die Sache erschwert.
Beim römisch-katholischen Ankern sieht es anders aus, weil die Bedingungen völlig unterschiedlich sind. Die Kräfte auf den Anker können erheblich größer werden als beim freien Ankern. Das Boot kann nicht frei schwojen und hält unter Umständen dem Wind die volle Breitseite entgegen, was für den Anker eine wesentlich größere Belastung darstellt. Die Kette kann kaum noch Dämpfungsfunktionen übernehmen, weil sie von Anfang an stramm gespannt ist und somit keinen Federweg (Kettendurchhang) mehr hat. Das ist gerade beim vorherrschenden Schwell in griechischen Häfen wichtig. Eine Trosse wäre in Sachen Federung der Kette überlegen, die wird aber gerne von anderen Booten mit deren Schraube abgefahren.
Klar ist, dass mehr Kette mehr hält, also steckt man mehr, WENN ES DIE UMSTÄNDE ZULASSEN! Zu bedenken ist auch, dass man in sehr tiefem Wasser z.B. mit 5-facher Länge auskommt und in relativ flachem Wasser sicherlich 7-fache Tiefe oder noch mehr stecken muß, um die gleiche Haltekraft zu erzielen, weil die lange Kette auf großer Tiefe einfach mehr Durchhang hat und somit besser abfedert und Belastung vom Anker fernhält.
Das Ganze ist ein sehr komplexes Thema. Die Aussage *mehr ist besser* halte ich für richtig. Aber 60 m können unnötig viel oder ggf. auch zu wenig sein, meine ich. Auf jeden Fall muss mehr gesteckt werden als beim freien Ankern, will man die gleiche Haltekraft erreichen; das ist sicher.
Schaut man sich in der Türkei die Gulets beim ankern an, dann stellt man sehr schnell fest, dass die unter 100 m gar nicht erst anfangen und 150 - 200 m sind auch keine Seltenheit. Allerdings fahren diese Boote auch schlechthaltende Stockanker.
Zu Marcel Bertschi, der den *Schenk-Trick* propagiert:
Da schreibt Herr Bertschi, es sei sinnvoll, beim römisch katholischen Anlegen zunächst rückwärts ranzufahren, dann wieder ein paar Meter vorzufahren um dann den Anker einzufahren. Dafür muss natürlich wieder Kette eingeholt werden. Danach wieder Kette gegeben werden um dicht ranzufahren zum Festmachen.
Den Anker einzufahren ist natürlich richtig, aber das geht doch viel einfacher: Man fährt rückwärts auf den Steg zu und läßt die Kette in sicherem Abstand bei Maschine rückwärts strammkommen. Der Abstand muss so gewählt sein, dass man bei slippendem Anker ggf. noch schnell auf vorwärts umschalten kann. Man erhöht die Drehzahl, bis man meint, dass der Anker hält. Durch den Kettenzug und Maschine(n) rückwärts wird das Boot derweil nicht groß abdriften. Dann Gas drosseln, etwas Kette geben und Heckleinen festmachen.
Man kann sich so das überflüssige Wiedervorfahren und ein weiteres Kettenhantieren ersparen und der Anker ist trotzdem eingefahren.
Hat man eine starke Ankerwinsch, reicht es damit die Kette stramm zu nehmen. Andernfalls kann man sie mit dem Motor dichtnehmen oder mittels der Heckleinen, die über die Winsch dichtgeholt werden.

Zu Christoph Boeckers Frage zum Anlegen mit kleiner Crew:
Bei kleiner Crew ist natürlich eine Fernbedienung der Ankerwinsch vom Steuerstand aus sehr wünschenswert. Dann kann die zweite Person sich um die Heckleinen kümmern und der Steuermann übernimmt den Anker mit. Hat man diesen Komfort nicht, sollte der Ankermann / die Ankerfrau sich mit um die Heckleinen kümmern, wenn der Steuermann an der Maschine bleiben muss, damit das Boot nicht anstößt.
Ankerkette etwas länger lassen, nach hinten kommen, eine Heckleine übernehmen, während der Steuermann die zweite nimmt. Oder erst die Luvleine, dann die Leeleine, während der Steuermann am Rad bleibt. So sollte es auch zu zweit gehen.
Mit Ankerfernbedienung klappt das Manöver sogar alleine relativ einfach, wenn's nicht allzuviel von der Seite drückt. Man läßt die Maschinen rückwärtsziehen, fiert die Kette bis man nahe genug an der Pier ist, macht mit rückwärtslaufenden Maschinen hinten fest (erst die Luvseite, dann in Lee), gibt vorwärts Gas, nimmt die Kette dicht und bestellt sich in der Taverne einen Drink.


Betreff: Tipps zum Anlegen mit Buganker
Datum: Sat, 28 Sep 2002 13:31:24 +0200
Von: Viktor v. Heydebrand,
Hallo, noch ein Beitrag:
Festmachen zu zweit vor Buganker: Alle Vorbereitungen müssen rechtzeitig getroffen werden. Falls dabei Probleme auftreten, muß der Rudergänger ruhig bleiben und solange Runden drehen bis alles wirklich klar ist. Wenn man sich so umsieht, wird schnell klar, dass die meisten Manöver wegen plötzlicher Hektik aus mangelnder Vorbereitung in die Hose gehen:
1. Achterleinen festmachen, Palstege machen und zum Übergeben aufschießen 2. Fender nach draußen, auf die spätere Lee-Seite kommen mehr Fender. 3. Anker klarmachen zum Fallen: Der Ankerschaft hängt noch auf der Rolle, Anker fällt aber sofort beim Öffnen der Nuß. So lässt sich verhindern, dass der Anker umherschwingt und die Bugregion außenschiffs beschädigt.
4. Nachgeschlepptes Dinghi am Vorschiff - nicht direkt am Bug - festmachen. Nicht zuviel Leine geben, gerade soviel, dass das Dinghi nicht zwischen Schiff und leewärtiges Nachbarschiff geraten kann sowie beim Ankerlegen nicht hinderlich ist (Crasht der Anker durch das Beiboot, wird des Skipper's Stirne sehr rot !!).
5. Rudergänger steuert die beabsichtigte Ankerposition in stabiler Rückwärtsfahrt an
6. Fallen Anker (mindestens 50 Meter von der Pier entfernt): Kette rauschen lassen bis der Anker den Grund erreicht hat. Dann die Kette langsam soweit bremsen, dass sich die Kette geradestellt und das Schiff unter Spannung stetig Kette "selbst" aus dem Kasten holt. Dabei entsteht ein (einstellbarer) Zug nach vorne. Damit ist die Bugstabitität bei Seitenwind gegeben.
7. Der Ankermann hat jetzt jede Menge Zeit, nach hinten zu gehen und die Achterleinen zu übergeben (Luv-Leine zuerst). Optimal ist, wenn das Schiff mit eingelegtem Rückwärtsgang und Standgas bzw. wenig Gas einen sicheren Abstand zur Pier halten kann (die Kette zieht ja nach vorn). Der Rudergänger bleibt trotzdem am Gashebel, damit keiner auf den Gashebel tritt - die Folgen wären weithin hörbar.
8. Ist die Luvleine fest, wird die Leeleine übergeben. Ist sie fest, schaltet der Rudergänger auf langsame Vorwärtsfahrt (einfach voraus einkuppeln und kein oder nur wenig Gas geben). Das Schiff ist wiederum stabil, in Ruhe kann jetzt wird der beabsichtigte Abstand Schiff-Pier exakt eingestellt.
9. Anschliessend wird die Ankerkette über die Winsch steifgesetzt. Fender justieren, Ruder gerade, fixieren, Maschine aus, Beiboot am Bug festmachen, Manöverschluck - fertig.
Der Trick ist halt ganz einfach: Das Schiff ist durch die Einstellung der Kettenspannung an der Ankerwinsch während des gesamten Manövers stabil. Es gilt: je mehr Seitenwind, desto mehr Spannung. Zusätzlich bleibt die Kette gerade und der Anker zieht sich soweit in den Grund, dass er sich bei Belastung weiter eingräbt. Insgesamt sollten mindestens 60 m Ankerkette draussen sein. Im Gegensatz zum freien Ankern, wo der Anker tief eingefahren werden muss, verzichte ich hier auf exaktes Einfahren. Voraussetzung sind genügend Spannung auf der Kette während des Manövers, genügend ausgebrachte Ankerkette und eine kräftige Ankerwinsch zum Durchsetzen der Kette.
Da der Propeller in Piernähe ständig läuft, besteht die Gefahr, dass man sich einen losen Tampen einfängt. Je näher an der Pier, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit. Bei Nacht sieht man solche Tampen nicht. Deshalb möglichst weit weg bleiben. Da bleibt nur die gute alte Wurfleine mit Affenfaust (im Winter trainieren, statt Palstege in die Tischtuchfransen fummeln !!). Andere Möglichkeit: Der zweite Mann/Frau steigt über das Nachbarschiff an Land und nimmt den Luvfestmacher mit.
Zur Diskussion: Man kann nicht oft genug wiederholen: Die Maßgabe "Kettenlänge = dreifache Wassertiefe" aus dem BR-Theoriebuch ist fatal. Aber wer als Hafenlieger noch keinen Scirocco mit 12 Windstärken erlebt hat, kann sich das halt nicht vorstellen. Einen solchen Scirocco gib es nach Seegebiet ca 3 - 5 mal in der Mittelmeer-Sommersaison. Da fliegen einem die Badeleitern um die Ohren, achtern oder mitschiffs festgemachte Beiboote werden zerquetscht, Hecks werden geschreddert, Bugkörbe verbiegen sich surrealistisch etc. etc..
Auch sehr guter Ankergrund wird bei Windstärken ab 8 von vorn bei zu wenig Kette schnell "weich". Schwere Schäden kann man jedes Jahr sogar in "sicheren" Häfen wie z.B. Kos/Kos oder Pythagoreon/Samos beobachten. Wer die Winterstürme erlebt hat, der steckt sowieso immer jede Menge Kette. Für Ankerkettensparer interessant sind auch die nächtlichen Bora-Überfälle z.B. in Korcula, wo zusätzlich der Ankergrund schlecht ist.
Ich war sieben Jahre lang weitweit Charterskipper und Skipper auf Eigneryachten. Da war ich ständig mit der Gleichung Ankerkette = 3x Wassertiefe konfrontiert. Gegen Gedrucktes hat auch geduldige Widerrede keine Chance: die Leute müssen es erlebt haben. Und für Kurzstag-Ankerer entwickelt man im Lauf der Zeit eine Nase. Da heisst es nur: woanders festmachen.
Grüsse Viktor

Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag! Peter O. Walter, Webmaster ESYS


Betreff: Re: rk-Anlegen
Datum: Wed, 16 Oct 2002 09:29:43 EDT
Von: Jörg Laakes

Hallo, Auch ich bin der Meinung das man soviel Kette stecken sollte wie möglich! Und wenn es möglich ist dann eben 60 oder mehr Meter. Was daran unverantwortlich, leichtsinnig oder unnötig ist, wie von manchen behauptet, kann ich überhaupt nicht verstehen. Insbesonder in Häfen mit viel Schwell oder viel Wind von der Seite (wie oft in griechischen Häfen,)ist es vollkommen unverantwortlich, sich nur mit der Kettenlänge die für die Wassertiefe passend ist (und wer kann schon behaupten, das er an der Stelle an der der Anker zu liegen kommt, die exakte Wassertiefe bestimmen zu können und auch das freibord kann machmal nicht vernachlässigt werden), zufrieden zu geben. Oft genug hab ich beobachten können wie die "Kettengeizhälse" in große Schwierigkeiten gekommen sind und dabei ihr Schiff und natürlich auch die Nachbarlieger gefährdet haben. Ich dagegen kann sogar noch entspannt sein, wenn das Luvboot auf meine Seite drückt, weil ich weiß, das ich entsprechende Ressourcen auf dem Grund habe.
Und das Märchen vom Kettensalat stimmt so auch nicht. Ganz im Gegenteil: Wenn man viel Kette steckt (und das auch noch im rechten Winkel vor seinem Liegeplatz)hat man sehr viel weniger Probleme mit dem Salat, da die meisten Skipper ja nur wenig Kette stecken (wobei ich nur Verständniss für die habe die eine manuelle Winsch haben oder den Anker von Hand aufholen müßen, wer würde sich da nicht ein bißchen Arbeit sparen wollen; alle anderen finde ich nur sehr mutig) Wenn es doch zum Ankersalat kommt ist man sehr viel besser bedient, wenn man die Geschichte weit draussen vor der Pier klarieren kann und nicht mit eingeschränkter Manövrierfähigkeit ein paar Meter vor den Nachbarliegern und deren Ketten rumtreibt, insbesondere bei viel Wind oder Fährenschwel - ein weiterer Vorteil wenn man viel Kette steckt. Auch wenn der Anker von irgendeinem anderen Boot geslippt wird, ist es besser, diesen mit viel Kette weit vor dem Boot liegen zu haben, da man dann als Notfallmaßnahme ihn mit der Winsch wieder eigraben kann, denn bei einer Strecke von 60m ist die Chance viel größer den Anker wieder fest zu bekommen, als wenn er nur 15m vor dem Boot liegt.
Auch das festfahren halte ich für sehr wichtig, wobei ich es bevorzuge den Anker schon während des Rückwärtsfahrens abzustoppen und zu testen und einzugraben, denn man weiß schon während des MAnövers ob der ANker hält oder nicht und kann ggf das Manöver in sicherem Abstand zur Pier und anderen Schiffen abbrechen und neu beginnen. Die Technik mit dem nochmaligen nach vorne fahren bedeutet mehr Arbeit und im Falle des slippenden Ankers, das man zwischen NAchbarbooten und Ketten zum neuen Manöver ansetzten muß und das kann manchmal sehr unangenehm sein (Bobby Schenk möge mir verzeihen, das ich kleines Licht ihn kritisiere, ich halte ihn trotzdem für einen guten Skipper :-)). Außerdem hat das Einfahren während des Rückwärtsfahrens den Vorteil, das man weiß, das man einen sicheren Anker hat, an dem man sich mit stabilem Bug "zurückhangeln" kann, was bei starkem Seitenwind oder schwierigen Booten (z.B. Langkieler)ein unschätzbarer Vorteil und ein großer Sicherheitsaspekt ist. Viele scheuen dieses vorzeitige abbremsen, weil sie dann ihr Boot unter Umständen neu ausrichten müßen - das ist aber auch kein Problem, weil man ja viel Platz zum manövrieren hat, weil man viel Kette gesteckt hat.
Grüße
Jörg Laakes

Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag! Peter O. Walter, Webmaster ESYS