EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Wetter im Mittelmeer:
Der Medicane, ein mediterraner Hurricane


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Ein Medicane (von englisch Mediterranean hurricane) ist ein tropensturm-ähnliches Sturmtief im Mittelmeerraum. Diese Form des Mittelmeertiefs erscheint vermutlich in einer Häufigkeit von etwa einmal jährlich.

Ein Medicane entsteht meist im Herbst, wenn Kaltluft aus den gemäßigten Klimazonen in Richtung Äquator strömt und sich in den höheren Luftschichten ein Cut-Off-Tief ('außertropischer Prozess') bildet. Bei den noch warmen Wassertemperaturen des Mittelmeers kondensiert die durch Verdunstung feuchte meernahe Luftmasse und bildet den Wolkenwirbel im Zuge der vom Höhentief verursachten Konvektion. Das Auge dieser Wirbelsysteme entsteht ähnlich wie in den Tropen durch die Abwärtsbewegung, mit Wolkenauflösung im sich dabei erwärmenden Tiefzentrum. Im Wirbel werden aber nur selten Windgeschwindigkeiten eines Orkanes erreicht, sondern zumeist nur eines Sturms bis 120 Stundenkilometer.

Diese troposphärischen Tiefdruckgebiete weisen sowohl außertropische als auch tropische Eigenschaften auf.

Zentraler Unterschied zwischen einem echten tropischen Hurricane oder Zyklon und diesen Ereignissen ist, dass sie kein sich selbst stabilisierendes oder gar selbstnährendes Wettersystem aufbauen. Das Einzugsgebiet im Mittelmeerraum ist insbesondere zu klein. Die augenbildenden Wirbel werden primär von außen angetrieben und zerfallen in ihrer hurrikanartigen Struktur meist innerhalb von Stunden wieder zu regulären Tiefdruckwirbeln. Auch ihre Gesamtlebensdauer liegt mit um die zwei Tagen weit unter denen der Großwirbel der Ozeane.[3] Weitere Unterschiede sind, dass der warme Kern nur in der unteren Troposphäre ausgeprägt ist, aber meist vom kalten Höhenkern überlagert bleibt, und dass die maximalen Windgeschwindigkeiten nicht am Auge, sondern wie bei normalen Sturmtiefs in den spiralförmigen Fronten (Okklusionen) erreicht werden.[3] Medicanes ähneln aus der Vogelperspektive (z. B. von Satelliten aus gesehen) einem tropischen Hurrikan und Zyklon, nicht aber in ihren atmosphärenphysikalischen Prozessen. Gelegentlich bilden sich ähnliche Tiefdruckgebiete im subtropischen Nordatlantik im Bereich der Bermudas, Azoren und Kanaren.

Medicane-artige Tiefs bringen oft hohe Niederschlagsmengen und starke Winde. Inzwischen hat sich auch eine an die Saffir-Simpson-Hurrikan-Windskala für tropische Wirbelstürme angelehnte Klassifikation nach der mittleren Spitzenwindgeschwindigkeit etabliert:
Mediterranean Tropical Depression unter 63 km/h
Mediterranean Tropical Storm mit 64 bis 111 km/h
Medicane oder mediterraner Hurrikan ab 112 km/h (70 mph, die Hurricane-Skala hat hier 73 mph, das sind weniger als 118 km/h)

Zur Frage, ob die Mittelmeertiefs als tropisch oder außertropisch einzustufen sind, herrschen geteilte Meinungen: Typischerweise markieren sie die Grenze dieser Zonen, ihre Südostflanke (Vorderseite) wird von Heißluftmassen der Sahara angetrieben (dem Scirocco), ihre Westflanke (Rückseite) von atlantischen oder polaren Kaltluftmassen. Die Zugrichtung jedenfalls ist von der Westwinddrift gesteuert, geht also nach Osten, nicht nach Westen wie in der innertropischen Konvergenzzone.

Insgesamt ist die Forschungslage bisher noch unklar, da durch die späte Entdeckung und das seltene Auftreten die Datenlage zu gering ist um belastbare Aussagen zu machen. Außerdem führt der reich strukturierte Mittelmeerraum und die Vielfalt der Einflussmöglichkeiten von Außen (energiezuführende Aktionszentren) zu keinem so einheitlichen Gesamtbild wie bei der Bildung der Hurricanes über dem Mittelatlantik.

Die Namensvergabe der einzelnen Ereignisse hat sich noch nicht etabliert. Die FU Berlin, deren Namen ab 1954 inzwischen in Zentraleuropa durchaus einhellig verwendet werden, benennt nur diejenigen Aktionszentren, die in Deutschland wetterwirksam sind. Daher werden auch nur solche Mittelmeertiefs geführt, die aus Norden in den Mittelmeerraum einwandern, und manchmal auch Vb-Tiefs später nachbenannt (und dann oft ausserhalb der eigentlichen Bildungsreihenfolge); andere Mittelmeertiefs bleiben durchwegs ohne Benennung. Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) hat diesen Ereignissen zeitweise einen Nummercode zugeteilt. Daneben finden sich auch Namen, die von meteorologischen Organisationen der Mittelmeerländer recht willkürlich vergeben werden, und dann von lokalen Medien verbreitet werden. So wurde Numa 2017 in italienischen Medien Attila, in Griechenland selten auch Zenon genannt.Die Herkunft dieser Namen bleibt meist unbekannt.

Besonders schlimm wütete ein Medicane im September 1969 in Tunesien und Algerien: Hier kamen mindestens 600 Menschen und mehrere tausend Kamele um.



Weblinks:
Medicane in Wikipedia

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Schlagwörter: Medicane, mediterraner Hurricane, Kaltluft aus den gemäßigten Klimazonen, Äquator, segeln, Seewetter, Meteorologie, Wettervorhersage, Wetter, Luftdruck, Wind

Tief Qendresa (I), 7. Nov. 2014 Tief Qendresa (I), 7. Nov. 2014
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Medicane Ianos Medicane Ianos
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