Eine Seite über das oft kontrovers diskutierte Thema Steuermann (hier Stanglhalter genannt) und dem Vorschoter (= Franz): Ziemlich verfranzt
Franz gut, Stanglhalter schlecht - wenn ich recht gelesen habe, dann lehnt sich die
Argumentationslogik eingefleischter Vorschoter an den Orwell?schen Slogan (four
legs good, two legs bad) aus der Animal Farm an.
Was war passiert: Eine bekannt ehrgeizige Steuerfrau (Stanglhalterin) hatte ihren
Vorschot-Franzen kurzerhand entlassen, um ihr Glück mit einem tatsächlich oder
vermeintlich besseren Ersatz zu versuchen. Das hat einen Franzen aus tiefster
Überzeugung zu einem empörten Leserbrief veranlaßt (YR 7/97), in dem er die von
Spitzen-Stanglhaltern vertretene Auffassung über Nutzlosigkeit und Ersetzbarkeit
eines Franz beklagte.
In einem Leserbrief läßt sich allerdings die interessante Steuermann/frau- VorschoterIn-Konstellation kaum vollständig entfalten. Deshalb an dieser Stelle einige ergänzende, z. T. provokativ zugespitzte Bemerkungen.
Spitzen-Stanglhalter wissen, wie wichtig Franzen sind - gerade deswegen sind sie
wählerisch.
Kein Spitzensegler wird behaupten, es sei egal, wer vorne die Strippen zieht. Zwar
gibt es je nach Bootsklasse unterschiedliche Grade der gegenseitigen Abhängigkeit,
in jedem Fall aber gilt: Ein guter ist einem schlechten Franz vorzuziehen.
Wenn aber Franzen eine so wichtige Stellung halten, dann ist es logisch, daß Stanglhalter auf der Suche nach Erfolg auch den jeweiligen Franz kritisch hinterfragen.
Nicht
als Ausdruck der Überzeugung, der Franz als solcher wäre beliebig austauschbar (=
nutzlos), sondern im Gegenteil: Weil Franzen so wichtig sind, werden sie
gegebenenfalls auch ausgetauscht.
Ober sticht Unter
Das legere Umfeld des Segelns verleitet dazu, eine Welt von Gleichberechtigten
wahrzunehmen oder zumindest zu fordern. Das ist selbstverständlich Illusion.
So
wie überall gibt es Machtunterschiede: Wer zahlt, schafft (letztlich) an. Zahlen
bzw. Geld herbeischaffen gehört in aller Regel zu den vornehmen Aufgaben des
Stanglhalters (daß das nicht notwendigerweise so ist, zeigt die Bigboat-Szene, wo
die Geldgeber in durchaus unterschiedlichen Rollen an Bord agieren). Halbe-halbe
zu fordern ist honorig, geht aber nur, wenn sich halbe-halbe auf alles bezieht.
Franzen werden (in gewisser Hinsicht) wie ein Segel oder Boot betrachtet
Stanglhalter (Franzen) Beziehungen im Spitzensport sind keine Ehen (alten Typs),
in denen Unauflöslichkeit und persönliche Verpflichtung zueinander im
Vordergrund stehen und die Beziehung als solche Endzweck ist.
Vielmehr ist eine
solche Paarung zunächst einmal eine Zweckbeziehung: Zwei oder mehr Personen
haben sich auf Zeit zusammengeschlossen, um in gemeinsamer Anstrengung ein
bestimmtes, meist hochgestecktes Ziel zu erreichen.
Im Vordergrund steht dabei die
Zielerreichung und nicht Wohlfühlen, Freundschaft, Konstanz, Fairness etc.
Um
einem breiten Aufheulen entgegenzuwirken: Klar gibt es das bei (machen)
Spitzenteams, klar ist das förderlich, klar gibt es anständige und höchst
unanständige Wege, mit Franzen umzugehen - nur: letztlich ist das alles
zweitrangig. Kein Spitzensegler wird einen Franzen auf Dauer behalten, wenn er davon überzeugt ist, daß der Franz ein Hemmschuh für die Leistung sei. In dieser Hinsicht ist der Franz wie ein Segel oder Boot: Auch diese werden gewechselt,
wenn es für zielführend gehalten wird (merke: gehalten wird und nicht ist!) Denn
häufig sind subjektive und selbstwerterhaltende Zuschreibungen des Stanglers für
einen Wechsel ausschlaggebend, und weniger die objektiven Gründe).
Andere Logik, andere Sitten
Die dominierende Grundlogik des Hochleistungssegelns lautet: Gesegelt wird in
erster Linie, um Erfolg zu haben. Und wenn Erfolg der Maßstab ist, dann ist es
nicht verwunderlich (sondern es wird sogar gefordert), daß dem Erfolg alles - und
da gehören Franzen wegen ihrer Wichtigkeit dazu - untergeordnet wird.
Selbstverständlich ist das nicht die einzige Logik, die ein Regattasegler anwenden
kann. Man kann auch am Regattageschehen teilnehmen und neben oder über den
Erfolg Bekanntschaften, Abstand vom Alltag, Flucht vor der Familie, Bezug zur
Natur, Faszination der Technik, Suche nach dem Besonderen und vieles mehr
stellen. Unter einer solchen Logik hat auch die Beziehung zwischen Stanglhaltern
und Franzen eine andere Basis. Mit Hochachtung und einer gewissen
Ungläubigkeit nehme ich etwa dauerhafte Stanglhalter?Franz?Beziehungen wie
Ullrich/Ittner im FD oder Sochovsky/Ochwart im Pirat wahr. Sie scheinen
gleichsam unverbrüchlich die Jahrzehnte zu überdauern und sind Beispiele, die
zeigen, daß es auch ganz anders zugehen kann. Nur ist - s. o. - hier wohl die
dominierende Segellogik eine andere.
Fazit für die Franzen aus meiner Sicht: Wer sich unter Wölfe begibt, muß deren
Spielregeln akzeptieren.