Die Vereinsfreunde des Wassersportvereins Elmshorn (WSE) sind entsetzt, alle stellen sich dieselbe Frage: Wie konnte das passieren? Die 10,5&xnbsp;Meter lange Motoryacht "Popeye" ist in der Nacht zum Freitag vor Cuxhaven gesunken. Der Vereinsvorsitzende Karl Eichen (50), seine Lebensgefährtin Ilona Gottwald (45) und Jugendwart Ingolf Riesberg (48) werden vermisst. Vermutlich liegen ihre Leichen unter Deck des Bootes. Nur Riesbergs Frau Ute (40) überlebte offenbar das Unglück, sie erlitt Unterkühlungen und einen schweren Schock.
&xnbsp;Eichen galt als erfahrener Bootsführer, Riesberg ebenfalls. Der Eigner der "Popeye" beriet beim Hamburger Bootsausräster Niemeyer die Kunden in Sicherheitsfragen. Das Boot war erst vor wenigen Wochen komplett renoviert und mit modernster Sicherheitstechnik ausgerüstet worden. Wie konnte das Unglück dennoch passieren?
Gegen 18&xnbsp;Uhr waren die beiden Paare am Donnerstag im Vereinshafen gestartet - ihr Ziel: Helgoland. Es sollte die erste Große Tour mit der "neuen" "Popeye" werden.
Kurz vor Mitternacht steuerte die Crew Cuxhaven an, die Paare wollten dort einen Freund besuchen. Die See war kabbelig, der Wind blies zu diesem Zeitpunkt mit fünf bis sechs Windstärken aus Nord. Die Wellen schlugen mit Wucht gegen die Yacht. Ein Mitarbeiter vom Deutschen Wetterdienst schätzt: "Die Wellen hatten eine Höhe von ein, vielleicht zwei Metern an der Unfallstelle."
Was dann zehn Fahrminuten vor dem Hafen geschah, konnte die Wasserschutzpolizei noch nicht im Detail rekonstruieren. Fest steht bislang nur: Die "Popeye" versank nach einer Kollision mit einem unbekannten Hindernis blitzschnell, Verschanzung und Reling wurden eingedrückt, Ute Riesberg ging über Bord.
Immer wieder schrie sie um Hilfe. Dass ihre Rufe gehört wurden, grenzt an ein Wunder. Ein Ehepaar aus Bremen hatte sein Wohnmobil am Steubenhäft abgestellt. Der Mann und seine Frau hörten die Rufe, sie alarmierten die Feuerwehr.
Minuten später steht ein Großaufgebot an Rettungsmannschaften bereit. "Alles, was schwimmen kann, ist unterwegs", sagte ein Polizeibeamter. Am Ufer postiert sich die Feuerwehr mit Suchscheinwerfern, ein Rettungshubschrauber der Marine aus Gläcksburg rückt aus.
Ute Riesberg wurde gerettet. Die Ebbe hatte sie in den Vorhafen getrieben, dort entdeckte die Besatzung eines Lotsenversetzbootes die Frau.
Der Notärztin berichtete sie im Cuxhavener Stadtkrankenhaus, was geschehen war: Eine heftige Welle habe ein Kajätfenster eingedrückt, Wasser drang ein, die Yacht sank sofort. "Es wurde kein Notruf abgesetzt", sagte ein Polizeisprecher.
Stundenlang suchten die Rettungsmannschaften bei Nieselregen in der Dunkelheit, doch am frühen Morgen bestand kaum noch Hoffnung, die Vermissten in dem 15&xnbsp;Grad kalten Wasser lebend zu finden. Seit dem späten Vormittag konzentrieren sich die Bergungsmannschaften auf die Suche nach der "Popeye", die vermutlich auf dem Grund der Medem-Reede liegt. Ute Riesberg wurde am Morgen aus dem Krankenhaus entlassen. Am Nachmittag kehrte sie nach Elmshorn Zurück.
Dort trauern die WSE-Mitglieder um ihre Freunde: Alle Ausfläge wurden abgesagt, die Boote blieben im Hafen. "Der Tod unseres ersten Vorsitzenden trifft unsere Vereinsfamilie hart", sagte WSE-Sprecher Eiko Behrens.
Auch die Mitarbeiter beim Versand des Yachtausrästers A.W. Niemeyer am Holstenkamp sind schockiert. "Er ist auf keinen Fall ein Draufgänger", sagt Prokurist Markus Teut. "Im Gegenteil. Er ist ein sehr besonnener, vorsichtiger Mann. Er kennt sich in allen Sicherheitsfragen aus und hat Kunden am Telefon darin beraten."
Seit drei Jahren war Riesberg bei der Firma Niemeyer (Sitz: Rädingsmarkt) beschäftigt. In seiner Freizeit kämmerte er sich um die Jugendarbeit des Vereins und war für die Vergabe der UKW-Sprechfunkzeugnisse der Nachwuchs-Wassersportler zuständig.
Riesberg hatte sich am Donnerstagmittag gegen zwölf Uhr in der Firma verabschiedet. "Er hat erzählt, dass er übers Wochenende nach Helgoland fahren wollte. Er hatte bis Montag Urlaub", so Teut. Bei der Polizei herrscht auch am Tag nach dem Unglück noch Rätselraten über die Unglücksursache.
Der blanke Hans - Sind See-Unfälle gottgegeben?
Wann immer dem Vergnügen blankes Entsetzen weicht, stellt sich sofort die Frage, ob ein Unglück etwas Gottgegebenes, ein schlichtes Naturereignis ist oder ob der Mensch selbst die Ursache für den Tod gesetzt hat. Am Donnerstag, kurz vor Mitternacht, ist in der Unterelbe, nur zehn Minuten von Cuxhaven entfernt, eine stählerne Motoryacht auf ihrem Weg nach Helgoland gesunken und hat drei Menschen in den Tod gerissen. Zehn Meter lang war sie, ein Waddenkreuzer, nicht gerade für die Hochsee gebaut, doch gelten diese eisernen Yachten als tächtig und unverwüstlich. Die überlebende hat berichtet, die See habe ein Kajätfenster eingeschlagen, das Schiff sei durch die so enstandene Öffnung schnell voll geschlagen und gesunken. Das ist vorstellbar, denn wenn sich die Yacht mit offenen Fenstern Brechern darbietet, ist es eine Sache von Sekunden bis einige Tonnen Wasser in den Rumpf geschäpft sind.
In Gewässern, wo sich die See harmonisch fortbewegen kann, gibt es eine solche Situation nicht. Ganz anders in seichten Gewässern, wie hier am Fahrwasserrand, wo die Wellenbildung durch Untiefen gestört wird. Wer hat nicht schon von den gefährlichen Grundseen an unseren Küsten gehört?
Vollends chaotisch wird die Situation aber dann, wenn starker Wind, es muss kein Sturm sein, auf eine starke Strämung trifft. Drei bis vier Knoten Ebbstrom sollen es an der Unfallstelle gewesen sein. 30&xnbsp;Knoten Starkwind gegenan macht die See rebellisch, steil. Sie bricht. Das ist dann keine Gischt mehr, die durch die Luft fliegt, auf die Kajätfenster trommelt, sondern massives Wasser, das schon mal eine Kunststoffscheibe aus der Fassung (wie massiv?) schmettern kann. Minuten reichen so, den nachfolgenden Brechern das Schiff durch das Fenster-"Leck" wie eine Badewanne zu füllen. Die Yacht säuft ab.
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