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EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Frachter rammt Hamburger Yacht

Von Kristina Johrde


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Der Albtraum jedes Seglers: Es ist Nacht, ein großer Frachter steuert auf die Yacht zu und rammt das Boot. Für die Crew der Hamburger "Volksfürsorge I" ist dieser Albtraum in der Nacht zum Dienstag Wirklichkeit geworden. Ein Cargo-Schiff kollidierte vor Südengland mit der 18,28 Meter langen Renn-Yacht, die auf dem Weg zur DaimlerChrysler North Atlantic Challenge war - die Regatta, die am 14. Juni vom amerikanischen Newport (Rhode Island) nach Cuxhaven starten soll.

Dramatische Minuten. Nur der schnellen Reaktion der Wache ist es zu verdanken, dass niemand von der siebenköpfigen Crew verletzt wurde. "Wir haben dem Wachführer unser Leben zu verdanken", sagt Skipper Andreas Reinecke (30), der unter Deck geschlafen hatte. Die Kollision bedeutet das Aus für die Teilnahme der Yacht an der Regatta. Der Mast ist an zwei Stellen gebrochen, im Heck klafft ein Großes Loch.

Die Nacht zum Dienstag. Die "Volksfürsorge I" segelt etwa 38 Meilen südöstlich der Hafenstadt Plymouth auf dem Ärmelkanal. Die See ist ruhig bei Windstärke vier bis fünf. Es ist kurz nach 3 Uhr, als Wachführer Hartmut Schädlich (46) einen Frachter bemerkt, der von achtern direkt auf die "Volksfürsorge I" zusteuert.

Der Wachführer glaubt, der Frachter wolle überholen - die Yacht unter vollen Segeln muss in diesem Fall Kurs halten. Doch der Frachter kommt immer näher. Eine Kollision droht. Im letzten Moment ändert Schädlich den Kurs und kann die Yacht gerade noch seitlich von dem Frachter wegsteuern.

Der Frachter reißt dennoch ein zwei Meter Großes Loch in das Heck, Wasser dringt in das Boot. Das Schiff schlägt herum, der Mast bricht zweimal. Skipper Reinecke wird durch den Zusammenprall aus der Koje geworfen und krabbelt an Deck. Die Crew schließt schnell ein Schott im Heck des Schiffs, damit die Yacht nicht sinkt. Dann versuchen die Männer, den Mast zu kappen und Wasser auszuschöpfen.

"Wenn das Schiff überrannt worden wäre, hätten einige von uns nicht überlebt ", sagt Reinecke. Vier Crewmitglieder waren unter Deck, nur die drei Männer der Wache oben trugen Schwimmwesten - ohne Weste kann man sich in der zehn Grad kalten See gerade zehn Minuten über Wasser halten.

Sofort sendet der Skipper das Notrufsignal "Pan Pan", das von einer Fähre in der Nähe aufgenommen wird. Die "Duc de Normandy" informiert die Küstenwache in Plymouth. Die Küstenwache schickt einen Helikopter, ein Rettungskreuzer schleppt die Yacht in den Hafen von Plymouth.

Der etwa 200 Meter lange 50 000-Tonnen-Frachter ist nach der Kollision einfach weitergefahren. Noch weiß die Küstenwache nicht, um welches Schiff es sich handelt. Das hatte die Crew nicht erkennen können. Warum hatte auf der Brücke offenbar niemand die Yacht bemerkt, die einen mehr als 27 Meter hohen Mast hatte, beleucht war und zudem mit einem Radar-Reflektor ausgestattet ist? "Wir waren eigentlich nicht zu übersehen", sagt Reinecke. "Vermutlich war kurzzeitig niemand auf der Brücke."

Der Hamburger Hans Oestmann (30), der die Yacht für die DaimlerChrysler North Atlantic Challenge gechartert hat, will alles daran setzten, mit Hilfe der Küstenwache den Frachter zu identifizieren. "Die Verantwortlichen sollen nicht einfach davonkommen", sagt er. Er versucht für die Regatta eine neue Yacht zu chartern - irgendwo an der Ostküste der USA oder in der Karibik. Denn für eine Überführung aus Europa ist es jetzt zu spät.


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