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Wie ein Pornoheftchen Leben rettete


von Jörg Zamzow

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Es war ein schöner Sommertag an der Südspitze von Indien im Hafen von Tutikorin. Mit der MS Aken lagen wie an der Pier und löschen Container voller Altpapier mit dem bordeigenen Ladegeschirr. Das Schiff wimmelte von Hafenarbeitern. Ungefähr 15 Mann waren barfuß, nur mit einer kurzen Hose bekleidet, im Laderaum damit beschäftigt unsere Container zu entriegeln und an das Ladegeschirr anzuschlagen. Mit einem mal gab es an der Pier ein wildes Gekreische.
Ein Container ist wohl ganz zufällig aufgegangen und etliche Papier- und Zeitungsschnipsel flogen durch die Gegend. Man staunte wieviel Arbeiter damit beschäftigt waren unser Schiff zu entladen und es wurden immer mehr, die sich um den nun offenen Container drängelten.

Der Grund für diese Aufruhr, der sonst eher ruhigen und gemächlichen Hafenarbeiter war klein und auf Hochglanzpapier.

Ein Heftchen mit pornographischen Inhalt hatte das Licht der Welt wieder erblickt. Selbst unsere Arbeiter aus dem Laderaum ließen ihr Werkzeug fallen, so sie überhaupt welches besaßen, und beeilten sich an Land zu kommen um vielleicht auch ein Stück der in Indien so seltenen Lektüre zu ergattern. Der Letzte der Stauer befand sich noch auf der Leiter im Laderaum als es plötzlich fürchterlich krachte und das ganze Schiff erbebte. Danach herrschte erst mal Totenstille. Ein voller Container, der in etwa 5 Metern Höhe einfach alleine gelassen wurde, der Windenfahrer wollte ja schließlich auch ein Auge voll nehmen, hatte sich verabschiedet und ist wieder in den Laderaum gefallen. Ob nun der Windenfahrer oder unser altersschwaches Ladegeschirr an diesem Unglück Schuld war, will ich hier nicht klären.

Hauptsache war, dass es keine Verletzten oder sogar Tote gab.

Nicht auszudenken, was wohl passiert wäre, wenn nicht dieses kleine Heftchen aufgetaucht wäre. Die Darsteller dieser Bilder konnten bestimmt nicht ahnen, daß sie einmal das Leben und die Gesundheit vieler indischer Hafenarbeiter retten würden. Den Rest des Tages verbrachten die Einheimischen mit ausgiebigen feiern und beteten zu ihren Göttern. Wir dagegen beschäftigten uns mit dem abgestürzten Container und der Reparatur des Ladegeschirrs bis mitten in die Nacht.