Hanakamps dramatische Rettungsaktion vor Koper sorgte unter Seglern
wochenlang für
Gesprächsstoff. Wir baten die Leserschaft um Feedback.
Rekapitulieren wir noch einmal die Tatsachen: Im Rahmen eines Regatta-Trainings ging die slowenische Seglerin Vesna Dekleva Anfang Dezember in der Bucht von Koper nach einer Patenthalse über Bord einer Justin Ten. Trotz der Anordnung der Skipperin trug sie keine Rettungsweste. Weder Rettungsringe noch andere Sicherheitsmittel noch Funk oder Telefon waren verfügbar, die nicht motorisierte Yacht, wegen eines Ruderschadens manövrierunfähig, trieb rasend schnell ab. Kurz entschlossen sprang der Leiter des Trainings, Andreas Hanakamp, in das 12=B0 kalte Wasser und schwamm, ausgerüstet mit einem Trockenanzug aber ebenfalls ohne Rettungsweste, rund eineinhalb Stunden lang ans Ufer, wobei er Dekleva mit sich zog. Die stark unterkühlte Seglerin verbrachte zwar einige Tage im Spital, kam aber ohne bleibende Schäden davon.
Anläßlich dieses Vorfalls, der böse hätte ausgehen können,
baten wir unsere Leser
um ihre Meinung und erhielten daraufhin eine Menge Briefe.
Am häufigsten wurde darin die mangelnde Ausrüstung der Yacht
kritisiert, und so
mancher sparte nicht mit harten Worten: Wenn es diese Mickymaussegler
schon zuwege
bringen, eine Justin Ten bei 5 Beaufort aufs Ohr zu legen, dann sollten
Sie sich Ihrer
Schwächen bewußt sein und wenigstens die notwendigsten
Rettungsmittel wie MOB-Boje,
Rettungsring mit Leine, Schwimmwesten und Lifebelts mitführen und
benützen, wäscht
etwa H. Riedmann aus Mittersill, der laut eigener Aussage rund 95.000
Seemeilen auf seinem
Salzbuckel hat, der Hanakamp-Truppe gründlich den Kopf, und Werner
Marsano, Präsident
des UYC Neusiedl, wundert sich: Wie ist der Umstand, daß kein
Rettungsring an Bord
war, überhaupt zu erklären? Wo bleiben die Sicherheitsbestimmungen?
Auch unser
jüngster Leserbrief-Schreiber, der 14jährige Robert Schwarz aus
Perchtoldsdorf, kennt
keine Gnade: Es ist mir unverständlich, daß keine Rettungsringe
an Bord waren. Warum
kein Notsignal gegeben wurde, ist mir ebenfalls schleierhaft. Waren etwa
auch keine
Signalraketen an Bord? Ich finde diese SeglerInnen sollten in Revieren
segeln, die ihrer
Seemannschaft entsprechen, zum Beispiel mit dem Optimisten auf der Alten
Donau.
Kopfschütteln herrscht vielfach auch angesichts der Weigerung Deklevas, die Rettungsweste anzulegen, obwohl Skipperin Petra Kliba dies angeordnet hatte. Es gibt kein dezitiertes Ablehnen" oder? fragt Dr. Claudius Egger aus Neumarkt am Wallersee und fügt hinzu: Immerhin haben wir alle gelernt, daß der Skipper das Sagen hat und schließlich auch die Verantwortung trägt. In die selbe Kerbe schlägt Heinz Rydlo aus Krumpendorf: Wenn der Skipper das Anlegen der Schwimmwesten anordnet, dann haben das gefälligst alle zu tun findet der Kärntner, obwohl die fehlende Schwimmweste für ihn nicht das Hauptproblem ist: Unter der Annahme, daß mich kein Schiff innerhalb der nächsten 20 Minuten aufnehmen kann, habe ich bei 12=B0 Wassertemperatur mit Schwimmweste keine besseren =DCberlebenschancen als ohne, glaubt er, ich kann nur versuchen, so rasch wie möglich das Ufer zu erreichen, und dabei behindert die Schwimmweste. Diese Meinung teilt auch Gert Finotti aus Wien: Eine Rettungsweste ist nur von Nutzen, wenn Aussicht besteht, geborgen zu werden, sonst verlangsamt sie das Schwimmen. Finotti hält vielmehr das anfängliche Fehlverhalten der über Bord gegangenen Seglerin für die Wurzel allen =DCbels: Dekleva hat nicht mit der Einsicht, Energie und Entschlußkraft gehandelt, die man eigentlich von einer Olympiateilnehmerin erwarten sollte. Kurz nach ihrem Sturz ins Wasser kann sie nicht sehr weit vom Boot entfernt gewesen sein schließlich gelang es ja auch anderen Crewmitgliedern, Boot oder Segel zu erfassen. Dekleva hätte sofort mit aller Energie zum Boot schwimmen müssen, statt dessen hat sie passiv auf Rettung gewartet. Man kann ihr nur zugute halten, daß sie nicht voraussehen konnte, daß das Boot unsteuerbar sein würde.
An genau diesem Punkt hakt der gestrenge Herr Riedmann ein: Mit
ein wenig Ahnung von
Seemannschaft wäre es der Crew ein Leichtes gewesen, auf einem
Schiffstyp wie der Justin
Ten das Groß zu bergen und den Baum als Ruder festzulaschen,
glaubt er, den Stein der
Weisen gefunden zu haben, das Boot wäre innerhalb kürzester Zeit
unter Fock und
Notruder wieder manövrierfähig gewesen!
Unsere Leser beschränkten sich aber nicht nur auf konkrete
Vorschläge, was man hätte
besser machen können, sondern stellen auch grundsätzliche
=DCberlegungen an: So wie
wir bestimmtes Obst und Gemüse unbedingt ganzjährig haben müssen,
wird auch
Spitzensport gegen alle Jahreszeiten betrieben, philosophiert etwa
Heinz Rydlo, an
einem normalen Sommertag wäre der Vorfall nicht halb so dramatisch
gewesen, aber bei 12=B0
Wassertemperatur wird es eben sofort lebensgefährlich. Dr. Michael
Sturm aus Baden
kann dem nur beipflichten: Im warmen Wohnzimmer zu Hause plant es
sich leicht,
warnt er, der das Angebot einer Justin Ten für den Ice Cup dankend
abgelehnt hatte,
der Sommer ist noch im Kopf, es riecht nach Meer und Sport, aber der
Golf von Triest ist
keine Badewanne.
Herbe Kritik übt Heinz Rydlo auch an der in den Vorfall
verwickelten Justin Ten. Diese
modernen, selektierten Rennschüsseln, bei denen die Konstrukteure das
Wort
Sicherheitsfaktor als Diskriminierung betrachten! Man geizt mit Gewicht
und Ausrüstung
und dimensioniert so schwach wie theoretisch gerade noch denkbar, nur um
eine Spur
schneller zu sein. An einem Tag brechen gleich bei zwei Schiffen die
Ruderachsen! Bei 30
Knoten Wind darf einfach noch nichts brechen. Sicher, eine
hochkarätige Crew nimmt ihre
Schiffe anders ran als Sonntagssegler, aber dafür, verdammt noch mal,
sollten sie doch
gebaut sein! entrüstet sich Rydlo.
Relativ einhellig fiel das Urteil über das gewagte
Rettungsmanöver des
verantwortlichen Trainers Hanakamp aus. Zwar fragen sich einige, warum
ein so erfahrener
Hochseesegler die Sicherheitsmißstände an Bord unwidersprochen
hingenommen habe, der
für Deklava lebensrettende Sprung ins kalte Wasser ringt aber fast
allen Bewunderung ab. Hut
ab vor der Leistung von Andreas Hanakamp, der sich mit dieser
Rettungsaktion selbst in
Lebensgefahr begab, lobt etwa Werner Marsano. Heinz Rydlo wiederum
formuliert: Meine
tiefe Verbeugung vor der selbstlosen Rettungsaktion Andreas Hanakamps,
der mit großem
persönlichem Einsatz seinem Crewmitglied das Leben rettete. Für mich
ein typischer Fall
für einen Maria-Theresien-Orden. Und Dr. Claudius Egger meint:
Meine Hochachtung
für Andreas Hanakamp, der Mann hat nicht nur Format, sondern
offensichtlich auch eine
beneidenswerte Kondition!
Nur der Mittersiller Riedmann läßt auch an Hanakamp kein gutes Haar: Die geschilderte, nicht notwendige Rettungsaktion halte ich für übertrieben, gesteuert von einem narzistischen, mediengeilen Denken, ätzt er, gegen Leute, die solche Fehler machen und sich auch noch als Lebensretter feiern lassen, bin ich einfach allergisch.
Im Nachhinein ist man immer klüger, das ist eine Binsenweisheit.
Die Intention, dieses
Forum zu eröffnen, lag nicht darin, mit erhobenem Zeigefinger den
Gescheiten
herauszukehren, sondern eine Diskussion über Sicherheit an Bord in
Gang zu setzen
auch und im speziellen, wenn der Leistungsaspekt beim Segeln im
Vordergrund steht. Sich
vor einem Unfall und möglichen tragischen Konsequenzen zu schützen,
geht uns alle an, ob
am Meer oder in der Heimat unterwegs.
Haben Sie übrigens gewußt, daß es im Vorjahr am Bodensee 123 Seenotfälle gab, bei denen 9 Tote und 23 Verletzte zu beklagen waren?
Judith Duller-Mayrhofer