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Tödliche Unfälle auf der 'Gorch Fock'
Die Wahrheit

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Aufentern
Die Vorkommnisse auf der 'Gorch Fock' werden sehr kontrovers diskutiert. Wer die Kommentare zu den Berichten über die Vorkommnisse auf der "Gorch Fock" gelesen hat, kann sich nur wundern über die haarsträubende Unkenntnis oder böse Polemik mancher Zeitgenossen. Hier ein VERSUCH, die Ereignisse RICHIG einzuordnen:

Es stimmt richtig traurig, dass so ein symbolträchtiges Schiff in einen derartigen Ruf kommt. Schuld daran scheint wohl die Qualität der derzeitigen Stammcrew zu sein:
- Allgemein bekannt ist: Die raubeinigen Stammsoldaten der "Gorch Fock" gelten selbst in der Marine als Exoten. Sie konnten bisher reichlich zügellos schalten und walten.
- Da wird doch tatsächlich zwei Tage nach einem tödlichen Unfall (!) eine Faschingsparty unter der Stammcrew gefeiert.
- Sexuelle Belästigungen in der Dusche: "auf diesem Schiff ist es wie im Knast, da muss jeder Neue erst mal seinen A... hinhalten." - Zitat einen Marineoffiziers, der seine Ausbildung auf der Gofo gemacht hat: "Bei uns kam großer Ärger auf, weil wir nachweisbar und wiederholt von der Stammbesatzung beklaut wurden ..."
Schlimmer als pubertierende Unterschichten-Monster ...

Schade auch, dass die Offiziere das über Jahre hinweg nicht in den Griff bekommen haben.
Beispiel: Vor Jahren schon versprach mir ein befreundeter Marineoffizier (12. AAR, 1963), mir dieWeckrufe (die werden jedes Mal beim Wecken ausgerufen) zu schicken. Die wollte ich auf dieser Seite veröffentlichen. Nachdem ich diese ordinär-sexistischen Sprüche gelesen hatte, habe ich von einer Veröffentlichung abgesehen. Da diese Weckrufe naturgemäß laut erfolgen, MÜSSEN auch die Offiziere dies mitbekommen haben!

Kpt. zu See Schatz' Äußerungen (Früher habe er selbst Kirschbäume erklommen - er sei entsetzt über die schwach ausgeprägten "motorischen Fähigkeiten" der heutigen Kadetten) sind in diesem Zusammenhang zitiert worden. Er hat diese Äußerung aber viel früher und ohne Zusammenhang mit den jetzigen Ereignissen getan. Gleichwohl stimmen sie. Ich habe als Lehrer im Laufe der Jahre selbst festgestellt, wie sich die motorischen Fähigkeiten der Schüler von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer weiter und signifikant verschlechtert haben. Dass Kapitän Schatz diese Äußerung getan hat, zeigt, dass er das Problem erkannt hat. Die Frage ist, warum das nicht bei der Auslese der Kandidaten berücksichtigt wurde.

Zum Thema "Aufentern":
Das Aufentern ist laut Dienstvorschrift freiwillig. Punkt.
Wenn Druck ausgeübt wurde, ist das schlicht ein Verstoß gegen die Dienstvorschrift.
Wer nicht in den Mast will, darf ohne Nachteile befürchten zu müssen an Deck bleiben, so die Lage nach Vorschrift. Der Bordbefehl Nummer 25 beinhaltet vor jedem Aufentern eine Sicherheitsbelehrung und zwei Fragen:
- Fühlt sich jeder in der Lage zu entern?
- Gibt es Krankheiten oder Gebrechen, nimmt jemand Medikamente?
Der Wachoffizier soll auch auf Probleme wie Höhenangst achten.

Gleichwohl muss man das Thema differenziert und ohne Emotionen betrachtet werden: Die Notwendigkeit einer Ausbildung von Seeoffizieren auf einem Segelschulschiff ist unbestritten. Alle Marine der Welt machen das, weil sie erstens den Teamgeist fördert (was bei dieser Ausbildercrew offensichtlich nicht möglich ist). Und zweitens erfährt ein Kadett nur auf einem Segelschiff so unmittelbar und sofort, welche Auswirkungen Zusammenarbeit, Wind und See auf ein Schiff haben.

Zur Ausbildung gehört natürlich auch das Aufentern. Das jedermann in dieser Situation Angstgefühle erfährt ist normal. Die Überwindung von Angst ist jedoch ein Teil der Ausbildung eines Führungsoffiziers.

Dass aber Kadetten mit ausgeprägter Höhenangst zum Aufentern gezwungen werden, ist nicht zu akzeptieren. Da stellt sich aber VORHER die Frage, warum der Mann überhaupt auf das Schiff kommen durfte! Zusammen mit den "schwach ausgeprägten motorischen Fähigkeiten der heutigen Kadetten" sollten hier doch wohl vorherige Tests und eine Auslese der Kandidaten stattfinden!!

Ein Marineoffizier: "Wenn wir nachts während unserer Seewache müde wurden, ließ man uns zum "Wachwerden" übungsweise auf- und abentern ..." Übermüdete Leute in Rigg zu schicken, ist kann ein tödliches Risiko werden, verstößt gegen die Dienstvorschrift und gegen die Prinzipen der Inneren Führung.

Unfallhäufigkeit: Alle größeren Seestreitkräfte der Welt betreiben Segelschulschiffe. In Kommentaren liest man oft den Vergleich mit Dachdeckern und Feuerwehrleuten, wo es ja schließlich auch bedauerliche tödliche Unfälle gebe. Dieser Vergleich ist aber nicht zulässig. Man kann nur Kadetten in der Deutschen Marine mit Kadetten in anderen Seestreitkräften vergleichen!! Auf keinem anderen Segelschulschiff aber gab es eine derart auffällige und ungewöhnliche Anzahl von tödlichen Unfällen. Nicht einmal bei Kriseneinsätzen (!) am Horn von Afrika oder anderen Einsätzen in Krisengebieten gab es tödliche Unfälle bei der Deutschen Marine. Warum ausgerechnet auf einem DEUTSCHEN Segelschulschiff zwölf (!!) tödliche Unfälle zu verzeichnen sind, bei Segelschulschiffen anderer Seestreitkräfte aber keine, muss dringend geklärt werden.

Hubert Reikow, Oberleutnant zur See, war am 1. April 1959 das erste Opfer auf dem Segelschulschiff der Marine. Erst im Dezember 1958 war das Schiff in Dienst gestellt worden. Unteroffizier Ryszewski: "Ich habe zwölf Unfälle seit 1958 dokumentiert. Bei meiner Reise 1963 kam beim Sturz aus dem Großmast ein Obergefreiter ums Leben".

Zitat eines Seeoffiziers: "Auf keinem anderen Schiff in der Marine geht man nachts auf hoher See so unbedacht ans Werk ..."
"Mir ist nach vielen Jahren als Zeitsoldat und Offizier nicht bekannt, dass dort Soldaten an Bord von Fregatten oder Versorgern ihren Tod fanden. Ferner schwebt mir kein anderer Ort vor, an dem so viele Marinesoldaten starben wie auf der "Fock", einem Ausbildungsschiff!"

Zitat: "Meine Tochter fällt da nicht einfach runter, sagte die Mutter der Zeitung. Vor dem Zwischenfall, der Mitglieder der Schiffs-Crew angeblich gegen Vorgesetzte aufbegehren ließ, seien die Offiziersanwärter vermutlich übermüdet und unter Zeitdruck in die Takelage geschickt worden." Tatsache ist, dass Schlafentzug bei den Kadetten laut Auskunft mehrerer Seeoffiziere ein Teil der Auslesekriterien und der Ausbildung auf der 'Gorch Fock' ist.
Ermüdung ist ein Zustand, der durch lang andauernde geistige Beanspruchung verursacht wird. Dieser Zustand der mentalen Ermüdung geht einher mit verlangsamten Reaktionszeiten und fehlender Genauigkeit in Bewegungsausführungen. Ob das heute noch sinnvoll ist, darf bezweifelt werden.

Seeoffiziere tragen Verantwortung für viele Menschenleben und Millionenwerte. Genauso wie Flugkapitäne. Bloß werden die nach ihrer festgelegten Arbeitszeit rigoros abgelöst von einer Ersatzcrew ...

Kapitän auf der "Gorch Fock" zu sein oder gewesen zu sein, beinhaltet einen ganz besonderen, einen elitären Anspruch. Ob das auch in Zukunft so sein wird, ist sehr fraglich. Schade.



Weblinks: keine

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