logo
EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Die Pothenotsche Aufgabe

von Manfred Iffland


Follow ESYS


Hierbei handelt es sich nicht um eine Aufgabe für den Helden Herakles aus der griech. Mythologie, sondern um eine handfeste terrestrische Navigationsaufgabe, die Schiffsortsbestimmung durch Doppelwinkelmessung.
Als wir kürzlich auf dem Fährschiff Prince of Dänemark am DSV-Praxistraining teilnahmen, erwähnte unser Referent, Kapitän Pötzel, die Pothenotsche Aufgabe. Aus meiner Ausbildung als Schmalspurnautiker erinnerte ich mich dieses interessanten Navigationsverfahrens. Ich zitiere den Leitfaden der Navigation transpress VEB Verlag:
Diese Art der Schiffsortbestimmung stellt eine Kombination von zwei Horizontalwinkel dar. Da die einzelnen Standlinien sehr genau sind, ist die Doppelwinkelmessung (mit dem Sextant Anm. MI), die genaueste terrestrische Schiffsortbestimmung überhaupt. Sie ist nach Möglichkeit grundsätzlich anzuwenden.
Man bestimmt möglichst gleichzeitig (zwei Beobachter = zwei Sextanten) die Horizontalwinkel zwischen drei Objekte. Dazu muss natürlich der Sextant horizontal gehalten werden, möglich ist sicher auch die Winkelmessung mit Peilscheibe oder Kompass, allerdings mit wesentlich ungenauerem Ergebnis. Entscheidend in diesem Falle ist, dass der Brechungswinkel zwischen den Objekten ermittelt wird. Dadurch gehen keine Unsicherheiten des Kompasses (Deviation und Missweisung) in die Standortbestimmung ein.

Wie kommt man nun zum Standort? Dieser wird gebildet durch den Schnittpunkt der beiden Umkreise, über die sich aus den Objekten und Standort bildenden Dreiecken.

Aber wie kommen wir zu den Umkreisen?
Dabei muss man wissen, dass alle Dreiecke in einem Kreis (Dreiecksumkreis) über einer Sehne (z.B. zwei Leuchttürme) in denen, der Sehne gegenüberliegenden Schenkel den gleichen Winkel bilden.
Dieser Winkel ist genau halb so groß wie der sich im Kreismittelpunkt zur Sehne hin bildende Winkel.
Mit anderen Worten, wenn man zur gleichen Zeit im Kreismittelpunkt den Winkel zwischen den beiden Objekten messen würde, ist dieser doppelt so groß, wie der im tatsächlichen Standort auf dem Kreis gemessene.
Den zur Konstruktion des Kreismittelpunktes notwendigen Winkel g in den Objekten kann man nun leicht ableiten: 180° = Zwei mal gem. Horizontalwinkel + zwei mal gesuchter Winkel g /2
90° = gem. Horizontalwinkel + Winkel g
also Winkel g = 90° - Horizontalwinkel


Man trägt nun die beiden Ergänzungen des Horizontalwinkels zu 90° an den Objekten ab. Der Schnittpunkt bildet den Kreismittelpunkt. Nun ist es möglich den Kreis, unsere 1. Standlinie zu zeichnen.



Sinngemäß konstruieren wir die zweite Standlinie. Der Schnittpunkt der Kreise ist dann unser Schiffsort.

Dieses Verfahren wird in der Landesvermessung als Rückwärtseinschnitt, Lösung nach Cassini (italienisch- französischer Astronom Jean-Domenico Cassini (8.6.1625 - 14.9.1712) angewendet.
Außer der o.a. Lösung ist eine andere, sehr elegante Lösung ohne den Einsatz des Zirkels bekannt.

Martin Iffland