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Ankerarten:
Der Bügelanker

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Manchmal muss das Rad eben doch neu erfunden werden. "Es gab eine Vielzahl verschiedener Anker", erklärt Rolf Kaczirek, aber als Hobbysegler war er nie ganz mit dem angebotenen Material zufrieden. Als gelernter Schlosser machte sich der Gettorfer an die Arbeit. Ein Anker musste her, der sich selbst auf dem Meeresboden ausrichtet und festsetzt. Hier war der Tüftler herausgefordert.

Was im Ergebnis so logisch und einfach aussieht, bedurfte einer langen Phase der Überlegung, des Baus von Prototypen und der Tests durch erfahrene Fachleute.

Inzwischen ist der nach dem 67-jährigen Erfinder benannte Bügelanker aus dem Ankerangebot nicht mehr weg zu denken. Der besondere Clou: Egal, wie der Anker auf dem Grund landet, er dreht sich durch einen aufgeschweißten Bügel mit der "Flunke", dem Halt gebenden Metallteil, nach unten und gräbt sich selbst in schwierige Untergründe ein.
Klick! Dabei ist der Anker einfach zu produzieren. Er hat keine beweglichen Teile mit Gelenken, die verklemmen könnten oder an denen der Bootsführer sich verletzen könnte. "Allerdings ist er nicht für alle Zwecke geeignet", meint Kaczirek. Durch die starre Bauweise kann er sich beim Einholen nicht an den Bootsrumpf anpassen. Somit komme er nicht für alle Bootstypen in Frage.

Dennoch: Für viele Bootseigner ist die Wirkung und Zuverlässigkeit des Ankers wichtiger. So testeten beispielsweise die Mannschaften deutscher Seenotrettungskreuzer lange und hart den Kaczirek-Anker und waren von der Qualität des aus verzinktem Schiffsstahl hergestellten Ankers überzeugt.

Polarfahrer Arved Fuchs ist einer der Nutzer von ihnen und setzt gleich zwei dieser Anker ein. Auch Weltumsegler Wilfried Erdmann schwört auf die narrensichere Funktionsweise des Ankers, der beim Patentamt registriert ist.

"Eine weltweite Patentanmeldung war allerdings zu teuer", bedauert Kaczirek. Und so tauchen oft Kopien aus anderen Erdteilen auf, manchmal auch "Erfinder", die die Idee für diese geniale Konstruktion für sich beanspruchen möchten.

Der Bügelanker ist starr, bewegliche Teile und Gelenke, die unklar kommen könnten und mancher Hand schon zur Falle geworden sind, gibt es nicht. Schaft und Flunke sind aus hochwertigem Schiffbaustahl, die Überrollbügel aus starkwandigem Qualitätsrohr. Das Material gewährleistet zuverlässig Schweißverbindungen und ist wiederholt verformbar, ohne zu ermüden.
Den hohlen, halbkreisförm!gen Überrollbügel muß man sich als den leichten Teil eines extrem unwuchtigen Rades vorstellen, dessen Gewicht sich im Wasser noch entsprechend seiner Verdrängung verringert. Den schweren Teil bildet die massive Flunke, der Schaft die gewichtsneutrale Achse.
Egal, wie der Anker auf dem Grund landet, wenn er flach über den Grund gezogen wird, will die schwere Flunke nach unten, und mit Unterstützung der Wasserströmung an der Flunkenfläche dreht der Anker in seine Eingrabposition und gräbt sich selbst in schwierige Gründe, ohne zu slippen schnell ein.
Auch wenn wechselnder Wind oder Strom die Zugrichtung verändern, bleibt der Anker am Ort. Der Anker läßt sich zum Aufholen gut ausbrechen und ist leicht zu reinigen. Sollte er sich auf unreinem Grund verhaken oder eine fremde Kette aufnehmen, kann man den Bügel mit einem Suchdraggen fassen und den Anker befreien. Wenn man den Bügel schneeweiß anstreicht, kann man ihn im Wasser besser erkennen. Von der See-Berufsgenossenschaft und vom Germanischen Lloyd ist dieser patentierte Anker als "Anker mit hoher Haltekraft" anerkannt.

Weblinks:
Gute Seite über den Bügelanker


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Ganz anderer Meinung über den Bügelanker ist Paul Wirkus:
(Der folgende Text ist mit Einverständnis von Paul Wirkus seiner Website entnommen)
Weitere Meinungen sind willkommen!

Der Bügelanker - oder schlaflos im Mittelmeer

Fast 1000 Ankerplätze haben wir mit dem Bügelanker besucht

Produktname und Preis:

Wasi Edelstahl Bügelanker 19kg und 27kg ca. 900,-- € und 2000,-- €

Herstelleradresse und/oder Händler:

www.Wasi.de

Getestet von 2003 bis 2007 von:

Katamaran Mupfel - Skipper Paul

Einsatzbereich:

Hauptanker

Kaufmotivation

Der Bügelanker hat speziell in deutschsprachigen Seglerkreisen einen hervorragenden Ruf. Er gilt als sicherer Universalanker und wird von Autoren wie Bobby Schenk (fährt nach eigenen Angaben selbst keinen) empfohlen.

Als Segelnovize war ich 2003 nach Rückfragen bei Kollegen und dem Studium einiger Internetbeiträge sicher, eines der besten Ankersysteme zu besitzen.

Beschreibung Funktionsweise

Durch den speziellen Bügel soll der Anker schnell in die richtige Position gebracht werden und so schnell fassen.

Meine persönliche Wertung:

Es wird Zeit, das jemand die im Internet kursierenden Heldengeschichten über diesen Anker auch in der Praxis dem Reich der Sagen zuordnet.

Der Bügelanker hat aus meiner Sicht seinen enormen Ruf ausschließlich einem wirklich raffiniertem Marketing zu verdanken, (oder nennt man es Guerilla Marketing) das das Weitergeben von Hörensagen in Seglerkreisen gezielt benutzt. Dieses möchte ich nicht der Firma WASI zuordnen, der Bügelanker wird in vielen Varianten gefertigt und Vertrieben.

Bekannte Segelautoren wie Bobby Schenk lieferten spannende Geschichten zu diesem Anker und seinen wundersamen Eigenschaften. Jedoch sei die Frage nach der Motivation oder dem Motivator erlaubt, denn selbst setzt er diesen Anker nach eigenen Angaben nicht ein.

Recherchiert man wirklich nachhaltig im Internet, so stößt man letztlich immer wieder auf das gleiche Schema nach dem Geschichten über diesen Anker erzählt und weitergegeben werden.

Immer ist es eine Yacht die durch den Anker wundersam gerettet wurde und alle paar Jahre wechselt diese Yacht aber die Geschichte und das Verbreitungsschema ähneln sich so sehr dass ich irgendwann an einen Zufall nicht mehr glauben wollte.

In einschlägigen Internetforen tauchen plötzlich gehäuft diese Geschichten auf, so daß man sich fragen kann, was bringt den Eigner dieser Yacht dazu plötzlich seine Geschichte mit dem Bügelanker in mehreren Internetforen zu erzählen. Seltsamerweise bezieht sich die Erzählwut immer nur auf die mit dem Bügelanker erlebte Geschichte, während andere Erlebnisse oder Ausrüstungsgegenstände den Autoren in der Regel keine Zeile Wert waren, soweit diese überhaupt eine Website betrieben?

Auch ich habe lange gebraucht, bis ich genug Selbstbewusstsein entwickelt habe um den Fehler nicht mehr bei mir, sondern bei dem von mir verwendeten Bügelanker zu suchen. Hilfreich waren mir dabei Tests englischer Segelmagazine und der Amerikanischen Marine bei denen der Bügelanker auf den auf den hinteren Plätzen landete.

Mein persönliches Fazit nach fast 1000 Ankerplätzen lautet:
Der Bügelanker ist ein miserabler Anker mit meist nur geringer Haltekraft. Vor allem in brenzligen Situationen sowie auf problematischen Untergründen wie Schlamm und Seegras, felsigem Boden, also immer dann, wenn es auf einen wirklich guten Anker ankam, hat er uns im Stich gelassen.

Mehrmals wären wir fast gestrandet immer wieder mussten wir Nachts raus und neu Ankern oder Wache halten während alles um uns herum schlief. Zum Schluß litt ich regelrecht unter Schlafstörungen, jedenfalls wenn wir vor Anker lagen.

Das dies nicht an meiner/unserer Ankertechnik lag, konnten wir auf der Rückreise nach Westen durchs Mittelmeer eindrucksvoll erleben. Mit unserem neuem Anker besuchten wir viele Plätze an denen wir mit dem Bügelanker Krisennächte und Tage verbracht hatten.

So waren wir auch bewusst in Alcudia (siehe Bild rechts) am selben Platz wie in der Nacht unserer Faststrandung vor Anker. Wie der Zufall es wollte dauerte es nur wenige Tage bis wieder schlechtes Wetter aufkam, aber diesmal haben wir uns bei 40 Knoten wohlig schaukeln lassen.

Umweltaspekte:

Der Anker ist ausschließlich aus Edelstahl gefertigt und man kann davon ausgehen, das aufgrund des hohen Materialwertes ein Recycling praktisch garantiert ist. Farben oder Reinigungsmittel werden zur Pflege nicht benötigt.

Installation

Wir haben den Anker mit einem WASI Powerball eingesetzt (siehe eigenen Test hierzu) und somit waren für eine Befestigung alle notwendigen Teile vorhanden.

Praxisbetrieb:

Wie zufrieden stellend arbeitet das Produkt auf einer Scala von 1-6 entsprechend den Zeugnisnoten

Note 5 Mangelhaft

Welche Eigenschaften sind hervorzuheben bzw. besonders gut gelöst

Die Materialqualität und Verarbeitung durch WASI waren einwandfrei. Besonders gut hat uns gefallen, daß WASI sogar seine Telefonnummer in den Anker eingraviert hat. Dies hat uns in Griechenland ohne Internetzugang die Bestellung von Ersatzteilen sehr erleichtert.

Welche Eigenschaften fehlen oder sind verbesserungswürdig

Das generelle Ankerdesign ist gemäß meinen ganz persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen für einen Hauptanker nicht geeignet.

Der Anker hielt schlecht auf Seegrasböden, in keinem Fall konnten wir dort befriedigend mit der Mupfel Ankern (z.B. Bucht von Alcudia).

Der Anker hielt schlecht in Schlick und extrem weichen Böden, in den meisten Fällen konnten wir dort nicht befriedigend Ankern (z.B. Hafen von Agrigent).

Der Anker hielt schlecht auf glatten felsigen Böden, in den meisten Fällen konnten wir dort nicht befriedigend Ankern (z.B. Kreta, Spinalonga - N.Kolokithia).

Aufgrund des scharfen Ankerblattes ist die Gefahr in einer Felsspalte hängen zu bleiben sehr groß, immer wieder haben wir auch alte Ketten und Kabel aufgenommen, davon wieder freizukommen ist mit einem volumigen Ankerdesign wie dem CQR wohl wesentlich leichter (z.B. nördl. Sporaden).

Der Anker hielt generell äußert schlecht bei seitlicher Belastung durch Winddruck z.B. in Häfen wenn das Heck fest vertäut war. Der Grund hierfür ist das spatenhafte Design, das seitlichem Zug keine Fläche entgegensetzen kann (z.B. Symi, Malta, Syrakusa).

Bei Kettenlängen unter dem Faktor 5-7 war der Anker nach unseren Erfahrungen praktisch wirkungslos.

Ein Testergebnis das unseren Erfahrungen ziemlich genau entspricht, erzielte der Bügelanker im großen Ankertest der Zeitschrift www.Yachtingmonthly.com. In allen Testuntergründen reichte es maximal für ein stabiles "dragging" sprich durch den Grund ziehen..

Eine Erfahrung die wir mehrmals nur haarscharf vermeiden konnten, machte Rainer vom Katamaran Jonathan, er strandete in einer Bucht bei Marmaris. Mit seinem Bügelanker konnte er sich in gutem Kiesgrund nicht halten.

Design:

Das Design ist sehr gelungen, aber Design ohne Funktionalität ist in diesem Falle sinnlos.

Fehler/Ausfälle:

Nachdem sich bei Saloniki der Anker in einer Felsspalte verklemmt hatte, gab der massive Schaft nach und bog sich ein wenig. Mit einer guten Presse lies sich das aber relativ leicht wieder beheben.

Welche Fehler/ Probleme bzw. erwähnenswerte Umstände, natürlich auch positive sind aufgetreten nach.

Nach 48 Monaten haben wir uns von unseren teuren und schicken Ankern schweren Herzens getrennt.

Das nennt man dann wohl "Geld in den Sand setzen"?

Euer Nautictester - Skipper Paul