EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Test Freedom 40

Ein außergewöhnliches Schiff
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Back to the roots...
von Peer G. Cruse


Letztes Update 02/2023

"Would you like a cup of tea?" frage ich den Vorschotmann bei Windstärke 6 kurz vor der Wende. "Yes, thank you" sagt er, nimmt die Tasse. Eigentlich gibt es gar keinen Vorschotmann, es gibt auch kein Vorsegel. Es gibt aber die Tasse Tee, die der Mensch während der Wende trinkt. In aller Ruhe, versteht sich, denn es gibt keine killenden Vorsegel, schlagenden Schoten, knarrenden Blöcke, bei dieser Wende. Der Mensch genießt das Segeln in seiner ursprünglichen Art auf einer Freedom Catketch. Der gepflegte und wissende europäische Segler versteht sich auf die Optik von Yachten. Fachkundige Kommentare begleiten nicht nur die Anlegemannöver von Charterern (wieviel ärmer wären die manchmal nicht enden wollenden Stunden im Hafen bis zum ersten Sundowner - ohne diese immer aufgeräumten, viele Dialekte kundigen Schiffsfahrer) sondern auch durchaus wohlwollenden Auges, Segelboote, die vor ihren Augen vorbeigleiten. Doch da, da stimmt was nicht, was ist denn das da drüben? Der Umriß einer Caravelle wie sie Piraten in der Karibik segelten, vor 200 Jahren. Das Schiff kommt näher. Kein Großbaum sondern Wishbones (Gabelbäume), wie bei einem Surfsegel. Die Segel sind einfach um den Mast gelegt, zwei Achterlieks treffen sich, verbinden sich zu einer Abrißkante. Die Segel fallen. Jetzt stockt der Atem. Freistehende, unverstagte Masten bei so einem großen Schiff? Wie Baumstämme stehen die Masten an Deck. "Die Optik stimmt nicht", rührt sich im Kennerblick der Sehleute. Was ist denn das?
Eine Freedom ist der beste Grund für die Wiedereinführung der Inquisition. 80 % der Skeptiker und Kritiker am Bild dieses Schiffes vertreten sie.
An Bord wird die zweite Tasse Tee serviert, während das Schiff lautlos den Sund aufkreuzt.
Wenn Konstrukteure und Erbauer von Booten Ihre Schritte zu dem Punkt zurückverfolgen, an dem sie den rechten Weg verließen, so finden wir zum Ende des letzten Jahrhunderts ein goldenes Zeitalter, in dem die Debatten zwischen "tiefen und schmalen" und "breiten und flachen" Bootskörpern von praktischen Männern sauber geklärt worden waren. Aus diesem Zeitalter kommen ganze Serien von grazilen, funktionellen und widerstandsfähigen Booten. Joshua Slocum segelte mit einem solchen Schiffstyp als erster einhand um die Welt. Sie sind zeitlos, denn ihre Schönheit beruht auf nachgewiesener Nützlichkeit.
Die letzte vernünftige Stimme in diesem Bereich mag die von L. Francis Herreshof sein. Er konnte vielleicht besser als irgend ein anderer, die reiche Saat der jahrhundertelangen Erfahrungen im Bootsbau zusammenfassen, harmonisieren und umsetzen. Bristol (Rhode Island) war der Ort, an dem das Leitmotiv für die Freedom entstand: strengste Einfachheit war Pflicht und Kompliziertes war unbedingt zu vermeiden.
Back to the Roots, zurück zum Ursprünglichen, zu den Wurzeln, zur Einfachheit, zum Natürlichen...

Der Rumpf
Die See ist ein strenger Prüfmeister was die Rumpfgröße und Form eines Schiffes bestimmen. Pläne lassen sich beliebig verkleinern um fast jede Zahl von Kojen, Schotts und Toiletten aufzuweisen. Es gibt nur wenige Ausnahmen, in denen auch die zu den Plänen passenden Menschen verkleinert wurden.
Garry Hoyt, der die Freedom 40 zeichnete, war das Element der persönlichen Freiheit wichtig, das nur durch eine entsprechende Mindestgröße des Rumpfes zu erreichen war. Das Flossenkiel-Schwertruder-Syndrom wurde als aufgeblasener Firlefanz über Bord geworfen, denn für Bruchteile von gewonnener Geschwindigkeit zahlt es einen enormen Preis an weniger Platz, zusätzlichem Tiefgang und grauenhaften Verhaltens- und Bedienungseigenschaften. Alte Tortola Schaluppen der Karibik, Generationen von robusten Walbooten und wendigen Pilot-Sloops sind die Basis für den harmonischen, sauberen Riss des Rumpfes.

Das Rigg
Der gleiche Respekt für Leistung, der den Konstrukteur der Freedom auf die Vergangenheit zurückgreifen ließ, führte bei der Takelage zu einigen gewagten Erneuerungen. Auch hier war die Maxime: Einfachheit. Diese Kurzbeschreibung läßt sich auf heute gängige Takelungssysteme nicht übertragen. Die immer wieder neuen Einflüße der Rennklassenvorschriften lenken vor einer jahrelangen Inzucht ab: immer größere Vorsegel, immer größere Winschen um sie zu trimmen, immer stärkere Vorstage, um sie straff zu halten. Dies verlangt wiederum stärkere Backstage, die aber keine Hauptsegel in vernünftiger Größe mehr erlauben. Der Baum muß kurz genug sein, um am Achterstag vorbei zu kommen. Außerdem zahlte es sich dank der Regeln aus, das Hauptsegel zu verkleinern. Das Hauptsegel ist ein nutzloser Rest aus Dacron geworden; seine Hauptfunktion scheint darin zu liegen, ein lästiges, krängendes Moment zu verursachen.
Aber ist nicht eine große Genua der Schlüssel zur Geschwindigkeit? Nein, die schnellsten Boote sind Katamarane und Eissegler, und sie entwickeln jene Geschwindigkeiten ohne Vorsegel. Der einzig wahre Grund, weshalb ein Vorsegel an einer Durchschnitts-Kreuzeryacht dem Hauptsegel überlegen ist, liegt darin, daß jenes das einzige Segel mit einer sauberen Anschnittkante ist.
Eine saubere Anschnittkante?
Das herkömmliche Kreuzer-Hauptsegel hat wenig Aussichten, tadellos zu funktionieren. Dazu wird es an der Luvkante viel zu sehr vom Mast und dem wirren Knäuel der Takelage gestört und blockiert. Diese Hindernisse erzeugen gerade dort Wirbel, wo man den größten Schub haben sollte. Wenn Sie dieses nicht glauben, versuchen sie einmal, mit jenem "High-Aspekt"-Hauptsegel ohne Vorsegel zu segeln. Der springende Punkt ist, das Vorsegel ist nicht besser als das Hauptsegel, sondern das Segel mit der besseren Anschnittkante und bringt deshalb die höhere Leistung. Die Tyrannei einer straffen Vorder- und Backstage nimmt uns jede Möglichkeit, die Form des Segels mit einem flexiblen Mast ausgleichen zu wollen. Kein Segler mit Selbstachtung oder seinem Bootstyp treu, würde ohne dieses lebensnotwendige Arbeitsmittel eine gute Rennleistung erwarten. Er weiß, daß er mit einem flexiblen Mast leichte, halbe und raume Brisen mit einem vollen Hauptsegel nehmen kann, bei steifen Brisen wird es flachgetrimmt und stehengelassen.
Diese Art von Flexibilität wird den Kreuzeryachten für die Hochseeregatten immer wieder verwehrt. Stattdessen muß man sich mit Reffen behelfen oder mit einer endlosen Folge von Vorsegel-Auswechseln, um sich den verschiedenen Windstärken anzupassen. Klar, eine Rollreffgenua tut´s auch, leider hat die Anrißkante hier wieder ungünstige Startbedingungen.
Jedem Beobachter der Finn-Klasse oder des Lasers muß auffallen, daß all diese lebhaften Boote fähig sind, ohne viel Rigg viel Tuch zu tragen, weil der biegsame Mast ein eingebauter Stoßdämpfer ist. Dadurch ergibt sich ein wunderbares Gleichgewicht: je stärker der Wind, um so mehr bemüht sich der Mast das richtige zu tun. Bei jedem Stoß biegt sich der Mast oben zurück und auch leewärts, entlastet so das Liek, Mast und Segel fangen stärkere Stöße auf. Das staglose Rigg geht mit dem Schlag und gibt nach, während ein steif verstagtes Rigg alle Schläge mit vorgestrecktem Kinn einstecken muß. Außerdem entfallen bei einem Mast ohne Stagen die Zug-Druck-Kräfte, die jede verstagte Takelage so belasten. Es enfallen auch alle Sorgen um Lagerblöcke, Winschen, End-Fittings etc. Das Versagen irgend eines dieser Einzelteile würde Entmasten bedeuten.
Wenn Sie darüber nachdenken und für Neuerungen empfänglich sind: Wieso sollte man nicht einen oder mehrere unverstagte Masten auf einen "40-footer" setzen? Und hat man einem Mast ohne Stage, warum legt man das Segel nicht einfach um den Mast; ein Doppelsegel mit dem Profil eines Tragflügels entsteht, mit optimalem Strömungsaufbau am Mast.
Sind Masten ohne Abstagung stabil?
Schauen Sie im Flugzeug zum Fenster hinaus und beobachten Sie, wie das freitragende Flügelende im Luftstrom ausballanciert. Wenn ein freitragender Flugzeugflügel auf über 30 m Länge Geschwindigkeiten um die 900 km/h ertragen kann- dann doch sicherlich auch ein 15 m hoher, unverstagter Mast mit ähnlichem Flügelprofil eine sehr viel geringere Windstärken.
Die Masten der Freedom bestehen aus Carbon, einer Kohlefaser. Carbon ist 3 1/2 x härter und bis zu 83% steifer als ein Aluminium-Mast gleichen Gewichtes. Der freistehende Carbon-Mast besitzt nur 1/3 des Gewicht eines gleichen, verstagten Aluminium-Mastes. Die morgendlichen Bordbrötchen müssen manchmal eng zusammenrücken, auch diese Masten werden gebacken, in langen Spezialöfen.
Die Wishbone-Spieren sind kein Rückfall in den Nostalgielook. Wishbones erlauben dem Segel, die Wölbung bis zum Fuss durchzuziehen; dieses können herkömmliche Großbäume nicht. Rollgroßsegel mit offenem Unterliek ermöglichen diese Wölbung auch, aber mit welchem technischen Aufwand? Wishbones nutzen den freien Segelfuß als natürlichen Baumfang, er verhindert das Steigen. Das Tuch steht auf jedem Kurs.
Das Mitschiffscockpit ist das größte aller 12m Boote, warum sollte man gerade hier Platz sparen wo man die meiste Zeit verbringt? Klar: kleines Cockpit = kleinere Menge Wasser bei einsteigender See. Extra große Lenzrohre schaffen hier Ordnung, beseitigen auch größere Mengen verschütteten Tees oder Bieres.
Die Achterkajüte ist für den Skipper geplant und als solche liegt sie natürlich höher als die Gemächer der Crew und dem Rest des Schiffes. Wer auch immer die Kajüten auf einer Ebene einführte, tat einen gewaltigen Schritt in Richtung Chaos. Skipper benötigen immer noch einen Ort, um Ihre Gedanken zu sammeln, holde Maiden zu erobern und sich anderweitig auf die Strapazen der Führung vorzubereiten und zu stärken. Aus der wichtigen Zeit der Freibeuter hat sich das achtere Poopdeck hinübergerettet. Der Kapitän hielt von dort- oberhalb der Crew stehend- eine flammende Rede, dessen Motiv entweder den Ungehorsam eines Crewmitglieds und seiner gerechten Bestrafung - oder eine wieder einmal bevorstehende Kaperung beinhaltete. Der versprochene und der Mannschaft zustehende Schatz riß die Mannschaft zu Begeisterungsstürmen und Hurra Rufen für den Captain hin, eine Gepflogenheit, die im Laufe der Jahre bedauerlicherweise in Vergessenheit geriet. Vielleicht hilft dieser kleine Hinweis, diese für den Skipper so angenehme und bewährte Gepflogenheit, auch auf Schiffen unserer Zeit wieder einzuführen.
Eine Freedom ist kein Schiff, daß von jedermann als "schön" eingestuft wird. Die Individualität zeigt den Mut des Konstrukteurs zum Ungewöhnlichen. Ein Mensch, der dieses Schiff und die Philosophie, die dahintersteckt, als angenehm empfindet, verbindet sich mit dem Mut, wieder auf das Ursprüngliche zurückzukommen. Das Umkehren und sich auf das Ursprüngliche besinnen, das verbindet mich mit diesem ungewöhnlichen Schiff. Unbewußt ist es vielleicht die Erinnerung an die Welt, in der Peter Pan seine Abenteuer mit den Piraten auskämpfte oder Robinson auf seiner Insel lebte. Wer von uns Erwachsenen wünscht sich ab und zu nicht die Zeit der Kinderträume und Traumländer und deren Abenteuer zurück? Auf diesem Schiff, der FREEDOM OF ROBINSON, werden Reisen dorthin ermöglicht. Steigen Sie ein - aber Vorsicht - Captain Hook steht schon auf dem Poopdeck...

Das Schiff steht mit Skipper zur Verfügung für kleine, segelbare Cocktailempfänge, Regattabegleitungen, Windjammer- und Oldtimerparaden, Gästesegeln auf der Ostsee, Heimathafen ist Travemünde.

Freedom of Robinson Peer-G. Cruse Pf. 1207 D-23502 Lübeck Tel. +49 451 6110666 Fax +49 451 6110467 E-mail: suntron@lynet.de

Technisches wurde ungeprüft übernommen, weiteres auf meiner Internetseite